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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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stand auf und klopfte den Staub aus meinen Sachen.
    »Harry Delmonte.«
    Jetzt war es an mir, zu lachen. »So heißt doch niemand.«
    Er sah mich gekränkt an, grinste dann und meinte: »Ein Name ist so gut wie jeder andere.« Er steckte das Messer weg und fragte erneut: »Also, für wen arbeitest du und warum bist du mir gefolgt?«
    »Wie oft soll ich noch sagen? Ich kam zufällig vorbei.«
    Etwas abgelenkt, ließ ich meine Blicke suchend durch die Gasse wandern. Ich konnte den kleinen Koffer nirgendwo entdecken. Aber wenn ihn der Arraki beraubt hatte, warum stand er einfach nur da, grinste überheblich und stellte mir unbequeme Fragen?
    »Suchst du das?« Plötzlich hielt er das alberne Köfferchen in der Hand. Ich konnte sehen, dass das Schloss aufgesprengt war. Er drehte es um, und der Deckel klappte nach unten, aber nichts fiel heraus.
    »Es ist leer«, sagte ich albern.
    »Offensichtlich.«
    »Der Arraki ...?«
    »Nn-nnn. Es war schon immer leer.«
    »Du lügst«, sagte ich prompt.
    Wieder dieses Grinsen. »Und wenn schon.«
    Da wusste ich es. »Die Frau im Pendler, die Siedlerin. Du hast ihr mit dem Gepäck geholfen, stimmt’s?«
    Er schwieg und hörte zu.
    »Aber das war nicht alles, das war eine Übergabe«, schloss ich triumphierend.
    »Dafür, dass du mich vorhin zum ersten Mal gesehen haben willst, weißt du wirklich erstaunlich gut darüber Bescheid, was ich am Morgen gemacht habe.«
    Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Verdammt, was hatte ich mir nur dabei gedacht? Da ich eh überführt war, forschte ich nach: »Und, was war es, was hast du der Siedlerin gegeben?«
    »Nichts besonderes, ein paar Bazillen, soweit ich weiß«, erklärte er schulterzuckend.
    Auch wenn es abwegig schien, hatte ich eine Idee. »Etwa Rhizobium-Symbionten?«
    »Möglich, ich bin nur der Bote. Was soll die Fragerei, Starbuck? Das führt doch zu nichts.«
    Ich spürte, dass er genau wusste, was er transportiert hatte. Ein dummer Kurier lebt für gewöhnlich nicht besonders lange, und Harry Delmonte schien mir alles Mögliche zu sein, nur dumm war er mit Sicherheit nicht.
    »Warum hast du es mir denn überhaupt erst erzählt?«
    »Vielleicht damit du mich meiner Wege gehen lässt?«
    Ich gab es auf, ihm erklären zu wollen, dass ich ihn überhaupt nicht verfolgen würde. Wir wussten es beide besser. Daher sagte ich nur: »Das geht nicht.«
    »Dann lauf mir eben weiter hinterher, aber stör mich nicht bei meinen Geschäften.«
    »Willst du mir nicht wenigstens ...«
    »Nein.«

    Wir waren eine ganze Weile stumm durch die Strassen gelaufen, er mit selbstbewussten Schritten, ich vorsichtig, die Umgebung nach möglichen Verfolgern absuchend. Im Gegensatz zu mir schien er den Arraki, der ihn erst kürzlich hatte umbringen wollte, völlig vergessen zu haben. Wahrscheinlicher war allerdings, dass er etwas wusste, von dem ich keine Ahnung hatte. Wie auch?
    Zum ersten Mal wünschte ich, meine Auftraggeber hätten mich nicht so im Unklaren gelassen. Wenn Min’err Delmonte tatsächlich Rhizobium-Symbionten eingeführt hatte, warf dies ein völlig neues Licht auf die vollmundigen Versprechen der Verwaltung. Erdunabhängiger Soja-Anbau, der den Nahrungsmittelrationierungen ein Ende setzen sollte, der erste wichtige Schritt zu einem völlig autarken Mars — alles Lüge? Ich war eine Marsianerin der dritten Generation, und für mich war dieser erdferne Ort die Heimat. Daran konnten weder die Arraki mit ihren Märchen über die Ersten etwas ändern, noch die Erdregierung, unter deren Protektorat der Mars immer noch stand. Und selbst wenn es bedeutete, dass die Bedingungen noch härter werden würden, gab es nur einen Weg: Die Unabhängigkeit vom Mutterplaneten. Ja, ich war eine Patriotin und wenn Delmontes Anwesenheit bedeutete, dass das unsere Unabhängig gefährdet war, so war ich bereit ...
    Plötzlich blieb er stehen. Und zum zweiten Mal an diesem Sol prallten wir zusammen. Diesmal machte er keine unwirsche Bemerkung sondern fragte nur: »Was weißt du über Artefakte, Starbuck?«
    »Der Ersten? Dass es verboten ist, sie zu besitzen«, sagte ich prompt.
    »Jaja. Das meine ich nicht. Was hältst du davon?« Er zog einen Brustbeutel aus seinem Coverall und schüttelte einen kleinen Gegenstand in die gewölbte Handfläche.
    »Oh, verdammt!« Ich sprang erschrocken zurück. »Das ist eine Spindel ... woher? Nein, ich will das gar nicht wissen.«
    »Hätte nicht gedacht, das du so zartfühlend bist.« Er verstaute den kleinen

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