Nachtfalter
polizeilichen Nachforschungen.
»Wer ist das?« fragt Lambridou, eine etwas zu kurz Geratene mit X-Beinen, die gerne lilafarbene Miniröcke trägt.
»Wir wissen es noch nicht.« Und ich berichte die ganze Geschichte. Nur die Information über die junge Frau, die man mit ihm zusammen gesehen hat, behalte ich für mich, denn, wenn sie mitbekommt, daß wir von ihr wissen, wird sie untertauchen. Lieber soll sie sich in Sicherheit wiegen.
Ich sehe, wie sich die Hände der Männer alle gleichzeitig in Richtung ihrer Gürtel bewegen. Früher hätte ich angenommen, sie würden ihre Pistolen ziehen, doch heute weiß ich, daß sie nur ihre Mobiltelefone herausfischen. Ehe sie zur Tür kommen, höre ich schon das Piepsen der Geräte.
Sotiropoulos läßt die anderen hinausströmen und schließt die Tür hinter ihnen. »Sie wissen etwas, halten damit aber noch hinter dem Berg, Kommissar«, meint er.
»Sotiropoulos, lassen Sie bitte endlich diese Anrede ›Kommissar‹ unter den Tisch fallen. Nennen Sie mich Charitos, nennen Sie mich Kostas, nennen Sie mich, wie Sie wollen, nur lassen Sie mich mit Ihrem ›Kommissar‹ in Ruhe.«
»Dann nenne ich Sie eben ›Herr Ordnungshüter‹«, entgegnet er spöttisch. »So haben wir euch zu Studentenzeiten genannt.«
»Und wir, wie haben wir euch da genannt?«
»Kommunistenschweine.« Sein Oberkörper richtet sich unmerklich auf.
Ich schaue auf seine Armani- und Harley-Davidson-Klamotten und denke, wie blind wir damals waren. Nur, daß wir das mittlerweile eingesehen haben. Aber er hat es immer noch nicht gerafft.
»Ich weiß nichts über den Toten. Wenn ich etwas erfahre, werde ich es Ihnen mitteilen.«
»Und über Koustas?«
»Die Antiterrorabteilung glaubt, daß es sich um eine interne Fehde innerhalb des Rotlichtmilieus handelt.« Ich mag ihn zwar nicht leiden, aber ich weiß, er hat den Spürsinn eines Jagdhundes, und ich möchte seine Reaktion sehen.
»Nicht auszuschließen. Ich sage Ihnen bloß eins: Nehmen Sie im Fall Koustas ja keinen Schlagbohrer für Ihre Nachforschungen, sondern tasten Sie das Gelände ganz vorsichtig ab.«
»Und wieso?«
»Weil unangenehme Überraschungen auf Sie warten könnten.«
Bevor ich ihn fragen kann, was er damit meint, öffnet er die Tür und verschwindet.
Ich hebe den Hörer ab und rufe den Leiter der Spurensicherung an. »Habt ihr irgend etwas in Koustas’ Wagen gefunden?« frage ich nach den üblichen Vorreden.
»Nichts. Weder innerhalb noch außerhalb des Wagens. Nur das Handschuhfach stand offen.«
»Und was war drin?«
»Das Übliche: Zulassungspapiere und Versicherungsschein, dazu ein Paar Handschuhe.«
Er hatte es wohl kaum aufgemacht, um seine Handschuhe oder den Versicherungsschein seines Wagens herauszuholen. Ob er etwas anderes herausgenommen hatte Und was war damit bloß geschehen?
»Trug er etwas bei sich?«
Eine kurze Pause tritt ein, während er nach dem Aktenordner sucht. »Ein Taschentuch, eine Geldbörse mit dreißigtausend Drachmen und drei Kreditkarten sowie ein Mobiltelefon der Marke Motorola. Die Autoschlüssel steckten im Türschloß.«
Vielleicht war das Handschuhfach auch während der Fahrt von ihm unbemerkt aufgeklappt und einfach offen geblieben.
Plötzlich schießt mir ein anderer Gedanke durch den Kopf. »Sind an dem Motorrad, das für den Mord benutzt worden ist, Spuren aufgetaucht?«
»Nein, keine. Es war blitzblank geputzt.«
In solchen Augenblicken, in denen der Karren total verfahren erscheint, hält mich nichts mehr im Büro. Es treibt mich auf die Straße. Die Büros der Firma R. I. Hellas, wo Koustas’ Tochter arbeitet, liegen in der Apollonos-Straße, gleich hinter der Voulis-Straße. Ich weise Vlassopoulos an, einen Streifenwagen bereitzustellen. Das Telefon läutet gerade in dem Augenblick, als ich das Büro verlassen möchte. Es ist der Polizeiobermeister von der Insel.
»Ich habe die Fotografie per Fax erhalten und leite die Nachforschungen ein, Herr Kommissar«, sagt er.
»Es ist dringend. Fangen Sie bei den Hotels an. Vielleicht haben wir Glück, und man hat seine Personalien aufgenommen. Wenn Sie so nicht weiterkommen, dann kämmen Sie die Zimmervermietungen durch.«
»In Ordnung. Was nun die beiden anderen betrifft – können Sie mir eine Personenbeschreibung durchgeben?« fragt er hörbar niedergeschlagen.
»Wenn ich eine Beschreibung und ihre Namen hätte, dann hätte ich sie doch schon verhaftet. Ich weiß nichts, ich tappe im dunkeln. Wie auch immer, es wird schon
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