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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Eltern geboren.
    Seine Mutter würde es nie wiedersehen.
    Dämmers Trauer um sie schwang ständig in seinem Kopf mit, und der geringste Gedanke an sie löste einen Schmerz aus, der wie Feuer brannte.
    Dieser neue Wald war viel belebter, als er es von der Insel kannte. Er war gewohnt, das einzige Tier im Baum zu sein, doch hier teilten sich viele Lebewesen die Äste. Dämmer fielen zahlreiche kleine, drahtige Tiere mit dünnen Schwänzen und flinken Augen auf.
    Vom Boden her ließ jedes Knacken eines Zweigs sein Herz schneller schlagen. Das hier war das Mutterland der Saurier, und nach allem, was er wusste, lebten sie noch immer hier. Er hatte ihre Knochen gesehen, er wusste, wie riesig sie waren. Er erspähte einen besorgniserregend großen Grundling mit Hauern, die sich über die Oberlippe hochbogen. Zum Glück war er zu massig, um jemals auf einen Baum klettern zu können.
    »Hast du das gesehen?«, fragte Sylph ihn. »Was war das?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er und fand sich schrecklich unwissend.
    Warum hatten seine Eltern ihm nicht alles über die Lebewesen auf der Welt beigebracht? Selbst wenn er sie nie zu sehen bekommen hätte, wäre es interessant gewesen, von ihnen zu erfahren.
    »Die sind friedlich, was meinst du?«, fragte Sylph.
    »Ja«, sagte Dämmer und hatte nicht die geringste Ahnung.
    Als sie über eine Lichtung glitten, fiel ihm am Boden etwas auf, das ihn an Knochen erinnerte, doch er hatte keine Lust, anzuhalten und genauer nachzusehen. Die Kolonie bewegte sich ständig weiter und er wollte nicht hinter sie zurückfallen.
    Nur einmal hielt er an, um etwas Flüssigkeit von einer Blume aufzulecken, und schrie überrascht auf, als sie ihre Blütenblätter um ihn schloss, als hätte sie vor, ihn zu verschlingen.
    »Das ist nur eine Pflanze«, sagte Jib, als er vorbeikam.
    Schatten sickerten in den Wald, legten sich über die Äste und flossen ineinander. Es war eine klare Nacht und das Licht des Mondes drang durch das Blätterdach. Dämmer sah, wie es nach oben zu heller wurde, und schloss daraus, dass sie sich einer Lichtung näherten. Er fragte sich, ob Gyrokus’ Kolonie auf einem Mammutbaum lebte wie sie selbst.
    Über die Äste verteilt saßen mehrere Soldaten mit grauem Fell. Sie grüßten nicht, als die Kolonie vorbeikam, sondern blieben einfach auf ihrem Posten und blickten angestrengt in die Ferne.
    »Brauchen die wirklich so viele Wachen?«, flüsterte Dämmer Sylph zu. Langsam kam ihm der Gedanke, dass das Festland noch gefährlicher sein musste, als er es sich vorgestellt hatte. Zu Hause waren nie Wachen notwendig gewesen. Sie hatten ohne Angst auf ihren Ästen schlafen können – jedenfalls bis zum letzten Abend, an dem sich alles verändert hatte. Aber vielleicht hatte die übrige Welt schon immer in dieser angespannten Wachsamkeit gelebt.
    »Glaubst du, dass die wegen der Saurier auf Wache sind?«, flüsterte Sylph.
    »Ich hoffe nicht, aber es ist, als wären sie im Krieg«, sagte Dämmer. »Oder als ob sie einen erwarteten.«
    »Sie sind sehr gut organisiert«, erwiderte Sylph mit offensichtlicher Bewunderung. »Sie scheinen auf alles vorbereitet zu sein.«
    Die Kolonie schwärmte aus, als sie die Lichtung erreichte, landete und alle fanden Platz in mehreren riesigen Kiefern. Das war offenbar das Zuhause von Gyrokus’ Kolonie, denn die Bäume waren bereits dicht von Chiroptern mit grauem Fell bevölkert. Nun gab es ein großes, vorsichtiges Beschnuppern und Zwitschern, bis sich alle niedergelassen hatten.
    Sylph und Dämmer glitten zu einer freien Stelle. Die Oberfläche des Asts sah aus wie Saurierschuppen, und obwohl Dämmer wusste, dass es einfach nur Rinde war, wurde es ihm unbehaglich. Er blickte sich nach seinem Vater um und entdeckte ihn zusammen mit den anderen Ältesten auf dem Ast gleich über ihnen.
    Kona kam mit einer Reihe von älteren Chiroptern zu ihnen heruntergesegelt. Es lag schon fast etwas Bedrohliches in ihrem raschen Abstieg in geschlossener Formation. Sie landeten neben Ikaron und seinen Ältesten.
    Ein grauhaariger Chiropter mit der Haltung eines Kriegers trat vor. Er war der größte Chiropter, den Dämmer jemals gesehen hatte. Eine große rosa Narbe zog sich quer über seine breite Brust. Seine Krallen, obwohl mit der Zeit knorrig geworden, wirkten furchterregend, und Dämmer konnte sich gut vorstellen, wie er damit Sauriereier und vielleicht sogar Saurier aufgeschlitzt hatte.
    »Willkommen, willkommen!«, rief er. »Ich bin Gyrokus und heiße

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