Nachtflug Zur Hölle
An Bord der 208 Tonnen schweren Maschine, die etwa 100 Tonnen Treibstoff mit sich führte, kam er sich jedesmal vor wie der König des Himmels. Nichts kam diesem vierstrahligen Stealth-Bomber gleich, der äußerlich an einen riesigen Stachelrochen erinnerte.
Seine Triebwerke waren tief im Rumpf verborgen, um ihre Wärme-
abstrahlung zu verringern, und damit die Verdichterschaufeln keine Radarenergie reflektierten. Außerdem wies Tuman keine senkrechten Steuerflächen auf, die als Radarreflektoren hätten wirken können. Der Bomber stand auf drei hohen Fahrwerksbeinen (er war nicht für Graspisten ausgelegt) und wurde bei jeder Landung von zwei Bremsfallschirmen mit je 25 Meter Durchmesser abgebremst.
Obwohl die Entwicklung des Tuman schon Anfang der achtziger Jahre begonnen hatte, war seine Waffenausstattung erst in den letzten Jahren endgültig festgelegt worden – als nämlich Dr. Iwan Sergejewitsch Oserow zum Entwicklungsteam gestoßen war. David Luger hatte das Waffensystem der Fi-170 praktisch im Alleingang entworfen, eingebaut und erprobt. Als Langstreckenbomber war der Tuman für Einsätze gegen die Vereinigten Staaten und China ausgelegt, bei denen sie möglichst ohne Unterstützung durch andere Flugzeuge auskommen sollte. Da die Hauptgefahr beim Einsatz von Jägern und Boden-Luft-Raketen ausging, hatte Luger das Waffensystem der Fi-170 so ausgelegt, daß sie sich gut verteidigen konnte und trotzdem noch reichlich Offensivkraft besaß.
Allerdings wußte niemand, nicht einmal Luger selbst, daß »Dr.
Oserow« damit die Auslegung des amerikanischen Bombers EB-52 Megafortress kopiert hatte. Wie von KGB-General Wiktor Gabowitsch erhofft, hatte Luger auf technische Ideen aus seiner langen Dienstzeit in der U.S. Air Force zurückgegriffen, um sie auf eine sowjetische Konstruktion anzuwenden – und das Flugzeug, an das er sich am besten erinnerte, war nun einmal die Old Dog. Unter Einwirkung einer systematisch betriebenen Persönlichkeitsveränderung hatte er das Waffensystem der Old Dog unbewußt auf die Fi-170 Tuman übertragen und ihren Kampfwert dadurch erheblich gesteigert.
Obwohl der Tuman ein Stealth-Bomber war, hatte er unter beiden Flügeln je drei Aufhängepunkte für Zusatzbehälter, die weit außerhalb der Reichweite feindlicher Radargeräte abgeworfen werden mußten, um die Stealth-Eigenschaften nicht zu beeinträchtigen. An den äußeren Aufhängepunkten trug die Maschine zwei Zusatzbehälter mit je 1500 Liter Treibstoff, die bereits abgeworfen worden waren – bei diesem Übungseinsatz an Fallschirmen, damit sie wiederverwendet werden konnten. Die mittleren Aufhängepunkte nahmen vier am Fisikus-Institut entwickelte Marschflugkörper AS-17 zur Radaransteuerung auf, die Frühwarn- und Jägerleitstellungen vernichten sollten, bevor der Bomber in ihre Reichweite kam. Die AS-17 mit 200 Kilometer Reichweite flog das Ziel aus etwa 200 Kilometern Entfernung mit ihrem Trägheitsnavigationssystem an und aktivierte dann einen Sensor, um das feindliche Radar anzusteuern und zu zerstören. An den inneren Aufhängepunkten trug der Stealth-Bomber je vier radargesteuerte Jagdraketen AA-9 zur Verteidigung gegen feindliche Jäger.
Der Tuman wies zwei hintereinanderliegende Bombenschächte auf, die bei sieben Meter Länge und vier Meter Breite je neun Tonnen Waffen aufnehmen konnten. Unterzubringen waren darin sämtliche Bomben und Lenkwaffen des sowjetischen Arsenals – oder desjenigen Staates, zu dessen Arsenal der Bomber in Zukunft gehören würde, was die Wissenschaftler jedoch nicht zu kümmern brauchte.
Bei diesem Übungseinsatz trug er vier gewaltige 500-Kilo-Bomben in der hinteren Bombenkammer und zwei lasergesteuerte Lenkwaffen AS-11 in der vorderen.
Innerlich konnte die Fi-170 nicht halten, was ihr Äußeres versprach: Ihre Elektronik bewies den sowjetischen Rückstand auf diesem äußerst wichtigsten Gebiet. Obwohl der Tuman mit einem elektronischen Flugregler und elektronischer Steuerung ausgerüstet war, handelte es sich dabei um verhältnismäßig primitive Low-Tech-Analogsysteme, nicht um High-Tech-Digitalsysteme. Das Navigationssystem bestand aus einem einfachen Doppel-Flugcomputer, der vom Navigator auf dem Copilotensitz bedient wurde und die Angaben zu Standort und Geschwindigkeit von Satelliten des GUS-Navigationssystems GLONAS oder dem eigenen Terrainfolgeradar erhielt. Das Tiefflug-Navigationssystem mit zusätzlichem Hinderniswarner stellte wie bei der alten amerikanischen B-52G nur das
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