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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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Gesicht. Seine maßgeschneiderte, wenn auch schlichte und abgetragene Kleidung identifizierte ihn als einen Mann, der Vertrauen in seine Stellung hatte und aus Gewohnheit sparsam war. Der Junior hätte sogar den jungen Guillaume di Maurier überragt und wirkte erheblich gesünder. Sein attraktives Gesicht wies scharfe, kantige Züge auf, und er hatte unter dem elegant geschnittenen Gehrock die breiten Schultern und schmalen Hüften eines Athleten. Wer immer er war, er lebte nicht vom Gehalt eines Juniorpartners.
    »Vielen Dank«, sagte Balthasar. »Danke, dass Sie so kurz vor Sonnenaufgang gekommen sind. Ich bin Balthasar Hearne.«
    »Ich bin Preston di Brennan«, stellte der ältere Anwalt sich vor. Name und schwacher Akzent verrieten seine Herkunft aus dem Landesinneren. »Und mein Juniorpartner ist Ingmar Myerling.« Der hochgewachsene junge Mann neigte kaum merklich den Kopf.
    »Vom Archipel«, sagte Balthasar. Das erklärte das typische Gesicht und den athletischen Körperbau; auf dem Archipel schätzte man körperliche Tüchtigkeit. »Sie teilen den Namen der Herzöge der Scallon-Inseln.«
    »Ich bin der jüngste Sohn dieser Familie, Herr.« Er sprach mit großer Präzision und formte seine Vokale so, wie sie in der Stadt gesprochen wurden und wie er es zweifellos zu tun gelernt hatte, um bei Gericht Autorität zu vermitteln. Die leidenschaftlichen, ungebärdigen Bewohner der Scallon-Inseln waren die Zielscheibe vieler Scherze, gerade jetzt. Balthasar, der die Sprechweise und die volltönende Stimme hörte – gewiss war er ein Sänger wie viele der Inselbewohner – und das äußere Erscheinungsbild abschätzte, bezweifelte, dass viele Menschen ihn lange verhöhnen würden.
    »Konnten Sie mit Baron Strumheller sprechen?«
    »Wir haben uns nach ihm erkundigt, bekamen aber mitgeteilt, dass er noch nicht wieder bei Besinnung sei. Es scheint keinen Grund zur Sorge zu geben; er neigt schon lange zu plötzlichen Ausbrüchen extremer Mattigkeit, von denen er sich zur Gänze wieder erholt.«
    »Dann kennen Sie ihn also«, hakte Balthasar nach.
    Der Anwalt antwortete verbindlich: »Ich vertrete die Interessen seiner Familie in der Stadt seit meinen ersten Jahren als junger Anwalt; ich erwarte, dies weiter zu tun, bis ich in den Ruhestand trete. Ich kenne den Baron, seit er erwachsen ist. Verraten Sie mir, Herr, was glauben Sie, zu dem Fall Nützliches mitteilen zu können?«
    »Was ist denn der Fall?«, fragte Balthasar. »Was ich gehört habe, weiß ich aus zweiter Hand.«
    Der Anwalt dachte kurz nach. »Der Fall, Herr, ist, dass Baron Strumheller angeklagt wird, eine Dame im Lagerhansdistrikt ermordet zu haben. Außerdem bezichtigt man ihn der böswilligen Hexerei gegen Fürst Vladimer, der von einem mysteriösen Gebrechen befallen im herzoglichen Sommerhaus liegt. Für den Mord gibt es einen Zeugen, der ausgesagt hat, er sei in einem anderen Raum des Hauses gewesen, als der Mord begangen wurde. Ferner behauptet der Zeuge, gehört zu haben, wie Baron Strumheller wegen eines verschwundenen Kindes laut mit der Dame stritt. Kurz darauf schrie die Dame, und als ihre Diener den Raum betraten, soll der Baron einen von ihnen erschossen haben, obwohl dies bisher nicht Teil der Anklage ist, und geflohen sein. Die Dame war frisch verstorben. Es gibt jedoch einige Ungereimtheiten bei den vorgebrachten Anklagen, die einen ins Grübeln bringen, und ich gehe davon aus, dass ein Gespräch mit meinem Mandanten erhellend sein wird.«
    »Vielleicht kann ich Ihnen ebenfalls helfen«, sagte Balthasar. »Ich weiß, wer die Dame war, und das verschwundene Kind ist meine Tochter.«
    Preston di Brennans Peilruf glitt über ihn hinweg. Er war in seiner Leichtigkeit beinahe feminin. »Sprechen Sie bitte weiter.«
    »Sie werden vielleicht entscheiden müssen, welche dieser Informationen Ihnen von Nutzen sind«, mahnte Balthasar, »denn Sie könnten Staatsangelegenheiten berühren.« Er schilderte den Anwälten die Ereignisse, angefangen mit dem Erscheinen von Tercelle Amberley auf seiner Türschwelle und der Geburt der Kinder, wobei er abermals eine Erwähnung ihrer Sehkraft unterließ und auch den Namen der Hebamme nicht nannte, die er herbeigerufen hatte. Als angesehener Arzt und Mann würde er vor dem Gesetz die Verantwortung übernehmen, und dies war kein Kunstfehlerfall. Er beschrieb Tercelles Versuch, ihn mit einer Droge zu betäuben und die Neugeborenen dem Tageslicht auszusetzen, und er berichtete auch von ihrer Flucht und dem Angriff

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