Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren
argwöhnisch den Blick zu Ishmaels Kammerdiener schweifen ließ.
»Es war ein eiliger Aufbruch.«
Stille folgte. Balthasar erkannte das Wartespiel und kam zu dem Schluss, durch ein Zugeständnis eher zu gewinnen als zu verlieren. »Die Diener des Barons waren so freundlich, mir aufzuwarten, da ich noch immer nicht imstande bin, mich aus meinem Bett zu erheben.«
»Die Ärzte haben mir über Ihre Verletzungen Bericht erstattet, bevor sie abgereist sind, um sich um Fürst Vladimer zu kümmern.«
Armer Fürst Vladimer, dachte Balthasar respektlos im Hinblick auf seine illustren Kollegen in den medizinischen Künsten.
»Eine überaus unangenehme und unglückselige Erfahrung«, bemerkte Blondell, »als Ergebnis einer Tat von solch schlichtem Anstand, wie sie es war, einer Dame Zuflucht zu gewähren. Strumheller hat mir Bericht erstattet, allerdings fand ich einiges daran persönlich nicht plausibel.«
Nun, wenn er wissen wollte, wie Blondell zu Ishmael di Studier stand, hatte er die Antwort auf seine Frage. »Wenn Sie damit die Fähigkeit der Säuglinge, zu sehen, ansprechen, kann ich Ihnen sagen, dass ich ziemlich zuversichtlich bin, mit meiner Schlussfolgerung richtigzuliegen – ich habe ein besonderes Interesse an allem, was mit dem Sehen zusammenhängt. Weder in meiner Ausbildung noch in meinen Lehrbüchern ist mir je auch nur eine Erwähnung von Sehkraft unter Nachtgeborenen begegnet. Ich hatte beabsichtigt, die Bibliothek des Ärztekollegs zurate zu ziehen, wurde jedoch niedergeschlagen, bevor ich Gelegenheit dazu bekam. Es gibt immer Spekulationen über Vorläufer in Imogenes Land, die überlebt haben, oder über diese ›dritte Rasse‹.«
»Spekulationen, sagen Sie; wilde Gerüchte, sage ich.« Sein Tonfall machte klar, dass der Mann sich nicht von seiner Meinung würde abbringen lassen.
»Wie geht es Seiner Hoheit, Fürst Vladimer?«
»Er ist jetzt seit zwei Nächten ohne Bewusstsein.«
»Gibt es wirklich einen Beweis für Hexerei?«
»Wenn ein Mann, der in Bezug auf seine Sicherheit und seine Ernährung so viel Vorsicht walten lässt wie Fürst Vladimer, nur wenige Stunden, nachdem er mit einem bekannten Magier allein war, die Besinnung verliert, ist das ein ausreichender Grund für diesen Verdacht. Und jeder Verdacht kommt einer juristischen Anklage gleich. Ishmael di Studier ist verhaftet worden, damit Beweise gefunden werden können.«
»Meine Frau ist in der folgenden Nacht vom herzoglichen Sommersitz zurückgekehrt, und da war noch keine Rede von Fürst Vladimers Krankheit.«
»Zuerst hat man es vor dem Personal und den Gästen geheim gehalten. Dann begannen natürlich der Tratsch und der Aufruhr. Sehr schlecht organisiert.«
Ja, und wäre Balthasar an Blondells Stelle, würde er sich auf die Suche nach der Quelle dieser Fehlorganisation machen. »Wie beabsichtigen Sie die Anklage zu widerlegen? Gibt es andere Magier in Fürst Vladimers Diensten, die eine Aussage machen können?«
Blondell versteifte sich, und Balthasar dachte für einen Moment, er würde vielleicht auf eine Antwort drängen müssen. »Fürst Vladimer hat keine anderen Magier in seinen Diensten.«
Interessant, dachte Balthasar. »Wie«, begann er, »kann dann die Anklage der Hexerei bewiesen oder widerlegt werden? Beabsichtigen Sie, eine Begabung von außen hinzuzuziehen?«
Blondell erhob sich gekränkt. »Herr, ich wünsche Ihnen einen guten Tag. Ich glaube nicht, dass Sie mir die Hilfe geben können, die ich benötige.«
»Zum Schaden eingesetzte Hexerei ist ein Kapitalverbrechen«, beharrte Balthasar höflich. »Ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken, dass ein Mann aufgrund bloßer Vermutungen jener hingerichtet werden könnte, die nicht wissen, ob Magie im Spiel ist oder nicht. Würde Fürst Vladimer akzeptieren, dass seine loyalen Diener aufgrund derart spärlicher Beweise verurteilt werden?«
»Mir braucht kein nobler Parasit, der vom Vermögen seiner Ehefrau lebt, zu sagen, wie ich meinem Gewerbe nachgehen soll«, erklärte Blondell gekränkt, und sein bäuerlicher Akzent machte sich zum ersten Mal bemerkbar.
»Ich bin ausgebildeter Arzt und Wissenschaftler«, erwiderte Balthasar, eher fasziniert als provoziert von der Kränkung. Er diagnostizierte ein schlechtes Gewissen. »Ich glaube an Beobachtung und Beweise. Sie kennen, nehme ich an, die Identität der in die Angelegenheit verwickelten Dame?«
»Ich kenne sie und weiß auch, warum sie zu Ihnen kam. Ich würde mich um den Frieden Ihrer Ehe sorgen,
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