Nachtgespenster
ich das Schloß und werde es auch durchsuchen, denn ich will den Vater und nicht die Tochter.«
»Ihn würdest du zur Hölle schicken.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, erwiderte ich grimmig. »Der Earl ist doch das Hauptübel.«
Ich erfuhr keinen Widerspruch und leerte den Rest des Kaffees, auch wenn die braune Brühe schon kalt war. Anschließend bedankte ich mich für das ausgezeichnete Frühstück, stemmte mich vom Stuhl hoch und schob ihn zurück.
Auch Janine Helder stand auf. Sie trat mir in den Weg und schaute mich besorgt an. »Du bist zwar nicht mein Sohn, John, aber du hättest es sein können. Ich mag dich. Ich möchte nicht, daß du verlierst, um es mal so auszudrücken.«
»Ja, das verstehe ich.«
»Du weißt, was dir bevorsteht?«
»Ich bin erfahren genug.«
»Dann ist es ja gut«, flüsterte sie. »Schade, ich würde dir gern helfen, doch in meinem Alter…«
»Sollte man es wirklich den Jüngeren überlassen.« Ich zwinkerte ihr zu. »Keine Sorge, ich schlage mich schon durch.«
Danach verließ ich das Haus. Janine Helder stand auf der Schwelle und schaute mir nach, als ich zu meinem Rover ging.
Der Morgenwind war noch ziemlich kühl. Er spielte mit den Haaren der älteren Frau und schien sogar ihre Tränen zu trocknen. Doch das bildete ich mir wohl nur ein…
***
Zwar befand ich mich nicht auf der Rückfahrt, doch ich nahm den gleichen Weg und rollte auch durch einen trotz der morgendlichen Sonne verschlafen wirkenden Ort.
Wer eben konnte, der genoß diesen Altweibersommertag oder frühen Herbstgruß. Es waren vor allen Dingen die Tiere, die in der Sonne lagen und es sich Wohlergehen ließen. Aber auch Menschen hatten ihre Häuser verlassen. Sie saßen auf Bänken, die Gesichter der Sonne zugewandt, als würde diese nie mehr zurückkehren.
Aus den offenen Fenstern einer Schule, an der ich vorbeifuhr, erklang das Singen heller Kinderstimmen. Ich lächelte darüber. Diese Menschen waren noch so herrlich unbeleckt vom eigentlichen Leben, das sicherlich nicht nur Höhen brachte, sondern auch Tiefen, in die ich schon mehr als einmal hineingerutscht war.
Claughton blieb zurück. Vor mir lag eine Straße im hellen Licht, das über die Wiesen und Weiden hinwegglitt und gegen das volle Laub der Bäume tupfte.
Dort wollte ich hin.
Die Straße führte hindurch. Sie hatte eine regelrechte Schneise hineingeschnitten. Es war dunkler geworden. Die Sonne blendete nicht mehr so stark, aber Dunkel und Helligkeit wechselten sich ab, wenn Strahlen durch die Lücken drangen und verschiedene Muster auf der vor mir liegenden Fahrbahn hinterließen.
Tanzende Muster, weil der Wind die Blätter bewegte. Die weichen Schatten huschten auch über die Windschutzscheibe des Rovers hinweg, bevor sie sich wieder verloren.
Ich fuhr langsam. Wieder lehrte mich die Erfahrung, daß in der Dunkelheit eine Umgebung wirklich anders aussieht als bei Licht. So hatte ich denn auch Mühe, den Ort wiederzufinden, an dem ich den Rover verlassen hatte und in den Wald hineingegangen war. Beinahe wäre ich an dieser Stelle vorbeigefahren. Ich entdeckte sie im letzten Augenblick.
Langsam rollte der Rover an den Straßenrand. Ich stoppte. Ich verließ den Wagen noch nicht und schaute mich um. Auf der Fahrt hierher war ich weder überholt worden, noch war mir jemand entgegengekommen. Um diese Zeit hatten die Menschen, die in Claughton lebten und in den größeren Städten arbeiteten, ihren Heimatort längst verlassen.
Neben dem Rover blieb ich stehen und drückte die Tür zu. Der Waldgeruch, dieser typische Duft aus Erde und Laub, füllte meine Lungen.
Über mir wies das grüne Dach Lücken auf. Sonnenlicht wurde gefiltert. Das wenige, das durchkam, wärmte meinen Nacken trotzdem. Vögel zogen zwitschernd ihre Kreise über den Wipfeln im blauen Himmel.
Ich betrat den Wald. Der weiche Boden schluckte meine Schritte. Er war wie ein Teppich, gab nach und federte. Der Geruch hatte sich verstärkt Die Richtung stimmte. Wahrscheinlich war ich einige Meter vom Weg abgekommen. Jedenfalls fand ich den Teich nicht sofort, was mich etwas ärgerte.
Ich suchte seitlich die Umgebung ab. Bäume mit alten Stämmen und dicker Rinde. Weiches Moos lag auf dem Boden wie Filz. Unterholz kroch zusammen. Weiter vorn leuchtete es grüner auf dem Boden als dort, wo ich stand.
Ein Zeichen für eine Vegetationsveränderung. Dort konnte der Teich liegen.
Ich ging weiter. Bald wurde der Boden weicher und auch nasser.
In der Nacht hatte der Teich
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