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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Groß, dünn und kräftig. Jede seiner Hände mit den langen Fingern sah breit und stark genug aus, um das Gesicht eines Jungen von unter dem Kinn bis über den Haaransatz zu bedecken und es abzureißen, es mit der Leichtigkeit von dem darunterliegenden Schädel zu ziehen, mit der man einem Verkleideten die Maske herunterreißt.
    Die Kreatur lief jedoch weiter und entfernte sich aus seinem Gesichtsfeld, und Winny wartete einen Moment, ehe er sich vorsichtig zwischen Geräten durchzwängte und Iris an ihrer Hand hinter sich herzog. Er beugte sich vor, streckte seinen Kopf heraus und schaute gerade noch rechtzeitig nach links, um zu sehen, dass sich die Bestie am Ende des Ganges nach links wandte und in die Richtung entfernte, aus der sie gekommen waren.
    Er hatte recht gehabt, als er sich gesagt hatte, die breiteren Gänge für eventuelle Wartungsmonteure seien zu gefährlich. Während das Pilzlicht langsam schwächer zu werden schien, liefen er und Iris – die für den Moment in ihrem Autismus einen Zufluchtsort gefunden hatte, der es ihr erlaubte, sich auf ihn zu konzentrieren und ruhig zu bleiben – im Zickzack durch den Wald von Geräten, wie Hänsel und Gretel auf der Flucht vor der Hexe, die Kinder fraß, nur dass dieses Ding nichts so Freundliches wie eine Hexe war und sich auch nicht die Mühe machte, sie mit Lebkuchen anzulocken.
    Der Versorgungsraum maß gut zwanzig Meter auf zwölf Meter und hatte somit eine Gesamtfläche von knapp zweihundertfünfzig Quadratmetern, das war größer als ein durchschnittliches Haus, doch Winny erschien er drei- bis viermal so groß. Als sie eine freie Fläche erreichten, die noch nicht der Bereich nahe der Tür war, konnten sich seine Frustration und seine Enttäuschung an einem Schauer frischer Furcht messen, weil der Fußboden mit ausgeworfenen Patronenhülsen aus Messing übersät war und an der Wand vierzehn menschliche Skelette nebeneinandersaßen, zehn Erwachsene und vier Kinder, von denen einige Schusswaffen hielten und andere neben ihren fallen gelassenen Schusswaffen zusammengesackt waren.
    Winny machte sich Sorgen, dieser Anblick könnte für Iris eine so extreme Erfahrung darstellen, dass sie ihr neues, schwer errungenes inneres Gleichgewicht nicht länger bewahren konnte. In den Schnellfeuerwaffen befand sich wahrscheinlich keine Munition mehr und sie waren zu sehr von Rost zerfressen, um sie abzufeuern. Der Rückstoß würde ihn ohnehin auf den Hintern plumpsen lassen und ihm die Waffe aus den Händen reißen, und es sähe ihm ähnlich, wenn ein Querschläger voll in seine Stirn knallen würde. Eines der Gewehre hatte jedoch ein aufgepflanztes Bajonett und das konnte er sich benutzen sehen. Wenn er in die Enge getrieben wäre, würde es besser sein als seine bloßen Hände.
    Er flüsterte: »Wir schaffen das schon« , obwohl er insgeheim darüber staunte, dass sie nicht schon tot waren, und er führte Iris in den Knochenacker hinein. Mit einer Hand hob er das Gewehr hoch und stellte überrascht fest, dass es schwerer war, als er es sich jemals vorgestellt hätte. Er würde es eine Zeitlang mit einer Hand tragen können, aber falls er es irgendwann gegen einen Angriff abstützen oder versuchen müsste, damit zuzustechen, würde er beide Hände brauchen, und dann würde er Iris loslassen müssen.
    Das Bajonett war fest auf dem Lauf des Gewehrs installiert, und als Winny darüber nachdachte, ob es wirklich so lohnend war, es zu haben, wie er erst geglaubt hatte, ertönte zwischen den dicht gedrängten Geräten ein gieriger, unmenschlicher Schrei und hallte von den Kellerwänden wider. Es war schwierig, genauer zu bestimmen, woher er kam, aber er klang so nah, dass Winny befürchtete, sie würden es niemals schaffen, schnell genug Deckung zu suchen, um dieser Kreatur zu entgehen – und möglicherweise liefen sie ihr sogar entgegen. Geradewegs auf ihre Klauen und Zähne zu.
    Mit dem Bajonett Stellung beziehen oder sich verstecken? Das war leicht zu beantworten. Verstecken.
    Zwischen zwei der erwachsenen Toten war genug Platz für ihn und Iris. Er zog sie auf den Boden und ermutigte sie, sich mit dem Rücken an der Wand neben ihn zu setzten, zwischen die Skelette, die sich beide zu ihnen hinüberbeugten. Statt sich von ihm loszureißen, wie sie es wahrscheinlich noch vor kurzer Zeit getan hätte, schloss sich ihre Hand so fest um seine, dass sie seine Finger schmerzhaft zusammenpresste.
    Die Kleidung der Toten war verschimmelt und teilweise vermodert, während die

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