Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
ihm beim Kartenspiel gegenübergesessen und ihn mit ihrer bloßen Anwesenheit bereits genug gequält hatte, hatte sie im Vorbeigehen achtlos ein Taschentuch aus ihrem Ärmel fallen lassen. Gunnar hatte es aufgehoben und ihr gereicht, ohne ein Wort zu sagen und nahezu ohne einen Blick zu wagen – denn schließlich war ihr Vater in der Nähe gewesen. Und das Tuch war dermaßen mit Parfüm getränkt, dass er ihren Duft auch in diesem Moment noch, Stunden später, an seinen Händen riechen konnte.
Er vergrub seine Nase in seinen Händen und tat einen tiefen Atemzug, ließ den Duft ihres Parfüms Bilder zaubern, auf denen sie zwischen zerwühlten Fellen auf einem breiten Bett lag, mit weit gespreizten Beinen, bereit für ihn, um seinen …
Er riss sich zusammen, und ein sarkastisches Grinsen spielte um seine Lippen. Bei den Göttern! Nun hatte sie ihn schon so weit gebracht, sich selbst zu quälen.
Vermutlich hätte er sich Erleichterung mit einer der Huren nahe der Burg verschaffen können – die Namen derer, die meistens verfügbar waren, machten unter den Soldaten von Raby freimütig die Runde, und er wusste, wo selbst zu dieser späten Stunde zumindest eine willige Frau zu finden gewesen wäre. Aber es mit irgendeiner zu treiben, obwohl er eine ganz andere wollte – dem hatte er noch nie viel abgewinnen können. Es hatte einfach nicht denselben Reiz.
Also entschloss er sich für die altbewährte Art und ging hinaus, um ein dunkles Eckchen zu finden und sich selbst vom schlimmsten Druck zu befreien, wobei der Duft ihres Parfüms an seinen Händen ihm seine Befriedigung um einiges versüßte. Als er seine Schnüre wieder zuband, rief er sich abermals sein wirkliches Anliegen ins Gedächtnis. Solange er über eine gesunde Hand verfügte, konnte er sich ohne ihren Körper behelfen, doch es gab keinen Ersatz für ihr Herz.
Leider war ihre Liebe nur die Hälfte dessen, was er brauchte, denn sein Amulett würde sich wohl kaum auf dem Grund des Burgbrunnens finden, so wie Ivos Amulett damals auf Alnwick. Raby war viel zu neu, und selbst das Herrenhaus, das vor Raby hier stand, war Jahrhunderte zu spät erbaut.
Auch wäre es sicher nicht Teil einer Prüfungsaufgabe eines Bastards zur Durchsetzung seines Anspruchs auf Titel und Land, wie einst Steinarrs Amulett. Kein König würde eingreifen und …
Moment.
Was für ein Narr war er doch gewesen!
Eleanor selbst hatte ihm den Schlüssel gegeben: In ihren Adern floss dasselbe Plantagenet-Blut wie in den Adern der Könige von England, dasselbe Blut wie in den Adern derjenigen, die in der Vergangenheit die Dinge bewegt hatten. Ihre königliche Abstammung war Teil der Gabe, keine Belastung. Selbst als er noch wie mit Blindheit geschlagen war, hatten die Götter die Teilchen ineinandergefügt. Alles, was er zu tun hatte, war, das Herz der Dame zu gewinnen, und sie würden ihm das Amulett zweifellos bescheren.
Voll neuer Hoffnung und mit deutlich weniger Druck zwischen den Beinen ging Gunnar zurück in die Halle. Dort nahm er seinen Becher und goss abermals zum Dank einen Schluck Wein ins Feuer.
Dann setzte er sich und wartete wesentlich geduldiger als in der vergangenen Woche und den Tagen davor, ob die Dame sich ihm nicht doch zeigen würde, bevor er wieder gehen musste.
Aber das tat sie nicht.
Der Sommer na-hat heran,
bald wird der Kuckuck wieder singen!
Das Korn, es sprießt, die Wiesen blühn,
Und auch die Bäume werden grün …
Eleanor sah von ihrer Näharbeit auf. »Wie schön deine Stimme heute klingt, Cousine.«
»Das liegt am Wetter, Mylady. Es ist ein herrlicher Tag.« Lucy, die vor dem geöffneten Fenster stand, ging einen Schritt zurück und begann erneut, ihr Lied anzustimmen, wobei sie sich anmutig im Takt wiegte und drehte. »Der Sommer na-hat heran …«
Eleanor legte die Kappe, die sie gerade auf Links gezogen hatte, weg und ging zum Fenster, um auf den belebten Burghof hinunterzusehen. Hatte sie es sich doch gedacht!
Sie fing Henry Percys Blick auf und winkte ihn mit einer verschwörerischen Geste heran. Dann drehte sie sich zu Lucy um, ließ aber eine Hand auf dem Fenstersims liegen und lockerte einen ihrer Ringe mit dem Daumen. »Der Lord, mein Vater, sagte mir, ich solle das Band an seiner Sendelbinde besticken. Ich dachte gerade, ein Lorbeerkranz würde ihm vielleicht gefallen.«
»Das wäre wohl doch ein wenig übertrieben«, sagte ihre Mutter am anderen Ende des Raums. »Ebenso übertrieben, wie sich die ganze Zeit im Kreis zu
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