Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
drehen. Lucy, sei so gut und hör endlich auf damit! Du machst mich noch ganz schwindelig.«
Sogleich blieb Lucy stehen. »Verzeiht, Mylady.«
»Was sollte ich denn ansonsten wählen?«, fragte Eleanor.
»Wie wäre es mit einem einzelnen Zweig? Hier, an dieser Stelle.« Lucy tippte sich an den Kopf, oberhalb ihrer Schläfe.
»Das würde ihm sicher gefallen«, sagte Lady Joan.
»Ich könnte auch Rosmarin für ein gutes Gedächtnis nehmen, damit er … Oh! Mein Ring!« Eleanor lehnte sich aus dem Fenster und spähte suchend auf den Burghof hinunter. »Hallo, ich habe meinen Ring verloren. Er ist mir aus dem Fenster gefallen. Sir Henry, könnt Ihr ihn irgendwo sehen?«
»Ich glaube schon, Mylady. Ich habe etwas herunterfallen sehen.« Percy zwinkerte ihr zu, bevor er sich bückte, um die Erde um sich herum abzutasten. Kurz darauf hielt er den Ring zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich habe ihn gefunden.«
»Ah, gut. Ich werde Lucy hinunterschicken. Wärt Ihr so gut, mir noch einen Gefallen zu tun, Harry?«
Er sprang auf und musste sich das Grinsen verkneifen. »Aber selbstverständlich, Mylady.«
»Ich brauche ein paar Lorbeerblätter als Vorlage für meine Stickerei. Würdet Ihr Lucy in den Küchengarten begleiten, damit sie mir einen Zweig abschneiden kann? Es laufen so viele Fremde hier herum, da will ich sie nicht allein in den Garten schicken, wo niemand sie sehen kann.«
Henrys Augen funkelten vor lauter Verschmitztheit. »Ich bin froh, dass ich Euch zu Diensten sein kann, Mylady.«
»Habt Dank. Lucy, könntest du auch …« Eleanor wollte Lucy bitten, einen Rosmarinzweig mitzubringen, doch als sie sich umdrehte, sah sie nur noch den Rücken ihrer Cousine, die bereits zur Tür hinausgeeilt war.
»Ich wusste gar nicht, dass dein Ring so lose sitzt«, sagte Eleanors Mutter mit sanfter Stimme.
»Das ist auch erst seit kurzem der Fall. Wenn ich das nächste Mal bei einem Goldschmied vorbeikomme, muss ich mich sogleich darum kümmern. Verzeiht, Mylady.« Eleanor beugte sich abermals aus dem Fenster. »Vergesst nicht, dass Ihr ein Gentleman seid, Harry!«
»Es kränkt mich, dass Ihr an meinen ehrenwerten Absichten zweifelt, Mylady«, antwortete Henry mit kaum merklich schwindendem Lächeln. »Keine Sorge! Die holde Lucy wird bald wohlbehalten wieder bei Euch sein.«
Nicht zu wohlbehalten, und nicht zu bald, wie Eleanor hoffte, wobei sie sich natürlich hütete, dies laut auszusprechen. Sie wartete, bis Lucy unten vor der Tür erschien, dann widmete sie sich wieder ihrer Stickerei – in der festen Überzeugung, dass, was immer ihre Mutter auch über ihr Verhalten denken mochte, sie selbst sich das Leben um einiges leichter machen konnte, wenn Lucy zumindest annähernd nachvollziehen konnte, welch Vergnügen man mit einem Mann empfinden konnte. »Hat jemand meine Schere gesehen?«
Irgendetwas war hier im Gange. Zu dieser Stunde musste die Halle eigentlich voll von Männern sein, die ihre Mahlzeit beendeten oder etwas tranken. Stattdessen aber war der Saal beinahe leer, nur ein paar der höherrangigen Ritter sowie die Familie und ihre Schützlinge hatten sich hier und dort zusammengefunden.
Gunnar ging hinüber zur Waschstelle. Ein junger Bursche eilte herbei und goss ihm Wasser über die Hände, und während Gunnar sie schrubbte, spürte er, dass plötzlich jemand hinter ihm stand. Duft umhüllte ihn, und er konnte sich gerade noch beherrschen, sich nicht einfach umzudrehen und sie in seine Arme zu reißen. »Lady Eleanor.«
»Ihr seid spät dran, Sir Gunnar. Wie immer. «
»Das passiert mir tatsächlich des Öfteren. Eine leidige Angewohnheit, Mylady.« Gunnar warf das Handtuch über die Stange neben der Waschschüssel, und als er sich umdrehte, erkannte er am Funkeln ihrer Augen, dass ihr strenger Ton nicht ernst gemeint war. Er machte eine Verbeugung. »Ähnlich wie knurrende Mägen und Wippen auf den Zehen. Ich nehme an, das Essen habe ich heute gänzlich verpasst.«
»Der Bischof von Durham ist zu Besuch hier. Er ließ uns zuvor eine Nachricht zukommen. Er isst gerne früh zu Abend, und so ist mein Lord Vater ihm entgegengekommen. Ich hätte Euch eine Nachricht geschickt, wenn ich nur gewusst hätte, wohin.«
Er ignorierte ihre unverhohlene Neugierde und sah sich nach einem der Diener um. »Ich werde wohl jemanden nach etwas zu essen fragen müssen.«
»Das ist nicht nötig. Der Steward erinnerte sich daran, dass Ihr noch unterwegs wart, und ordnete an, eine Portion für Euch aufzuheben.«
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