Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)

ewigen Leben verschrieben, das sie uns aufgebürdet hat, damit sie sich an unserem Leid weiden und uns weiter quälen kann.«
    Die Arme auf der Brust verschränkt, kauerte Eleanor auf dem Baumstamm und starrte auf den Boden. »Warum sollte sie einen solchen Hass haben?«
    »Wir kamen, um den Schatz zu rauben, den sie hütete, und sie schickte ihren Sohn, um den Kampf gegen uns zu kämpfen und die Männer anzuführen.«
    »Und Ihr habt ihn getötet«, murmelte Eleanor in anklagendem Ton.
    »Er starb, wie Männer es im Kampf tun.«
    »Aber von Eurer Hand.«
    Abermals spannten sich Gunnars Kiefermuskeln an. »Es spielt keine Rolle, von wessen Hand der tödliche Streich kam. Wenn unsere Schwerter sich gekreuzt hätten, hätte auch ich ihn getötet. Das hätte jeder von uns getan. Es war eine Schlacht.«
    »Ihr sagtet ›uns‹. Gibt es noch mehr Männer wie Euch?«
    Er nickte. »Neun. Alle, die den Kampf überlebten. Zwei wurden erlöst. Nun sind es noch sieben.«
    »Werden alle wie Ihr?«
    »Nein. Sie nehmen andere Gestalten an. Hund. Hengst. Hirsch. Rabe.« Hier hörte er mit seiner Aufzählung auf, denn er wollte Brands Bären und Jafris Wolf nicht erwähnen. Die Tiere waren zu gefährlich, zu selten in England und viel zu leicht zu finden, wenn jemand von ihnen erfahren und sich auf die Suche nach ihnen gemacht hätte. Wenn er sich in ihr täuschte und sie ihn verriet, würde der vereinte Zorn von Kirche und Krone auf ihn und seine Gefährten herunterfahren wie Thors Hammer, und Brand und Jafri würden das meiste abkriegen. Bitte, Freya, sorg dafür, dass ich mich in dieser Frau nicht täusche.
    »Jeder von uns trug ein Amulett, um unsere fylgjur, unsere Schutzgeister, zu ehren«, fuhr er fort. »Cwen bediente sich ihrer als Zaubermittel, um uns in ihre Abbilder zu verwandeln, jeden Mann in die Gestalt seiner fylgja. Einige von uns sind am Tag ein Tier, andere bei Nacht, aber wir alle nehmen zu Sonnenaufgang und -untergang die Gestalt unseres Machttiers an.«
    Ihrem Gesichtsausdruck nach schien sie allmählich zu verstehen. »Der Hahnenschrei. Kein Wunder, dass Ihr so schnell verschwunden seid, in der Nacht, als wir … als Ihr diesen Traum hattet.«
    »Ich wollte nicht gehen.«
    »Ich weiß. Ich wusste damals schon, dass Ihr nicht gehen wolltet, aber ich dachte, Ihr wäret so schnell verschwunden, weil wir kurz davor waren, zu … weil Ihr meine Ehre schützen wolltet. Warum sagt Ihr mir all das jetzt? Weil Carolus die alte Geschichte von Europa erzählte?«
    »Ja. Der Stier … Ich …« Er rang nach Worten. »Ich behalte ein gewisses Maß von mir selbst in dem Tier. Meist ist es gerade so viel, dass es mich abends zu meiner Kleidung und zu meinem Pferd zurückbringt. Aber für den Fall, dass ich mein menschliches Wesen dringend brauche, habe ich mir die Fähigkeit angeeignet, meine Person im Stier in den Vordergrund zu drängen, um etwas über das Wissen des Stiers zu erfahren und so etwas Macht über ihn zu gewinnen. Als Ihr damals sagtet, Ihr würdet vielleicht nicht weglaufen, sah ich eine Möglichkeit und wollte es ausprobieren.«
    »Ich nicht.« Sie hob ihr Kinn, und ein Funken Stolz sprühte in ihren Augen. Oder war das eine Träne? »Weglaufen, meine ich.«
    »Nein, Ihr seid jetzt auch nicht weggelaufen, und dafür bin ich Euch zutiefst dankbar, Mylady.«
    »Ich weiß nicht, warum, denn eigentlich wollte ich es tun. Ein Teil von mir will es immer noch.«
    Es gab nichts, das Gunnar dazu hätte sagen können. Ein Teil von ihm wäre selbst am liebsten weggelaufen. In all den Jahren der Raubzüge war er nie vor einer Schlacht zurückgeschreckt, aber wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, wäre er vor jedem Sonnenaufgang und Sonnenuntergang geflohen wie der feigste aller Hunde.
    »Es macht mir Angst«, sprach sie leise weiter, beinahe so, als spräche sie zu sich selbst. »Das Gerede von Flüchen und Hexen und Männern, die zu Tieren werden. All das ist doch Ketzerei. An solche Dinge zu glauben, dafür würde die Kirche mich pfählen, und dennoch, wie könnte ich nicht daran glauben? Ich habe Eure Umwandlung mit eigenen Augen gesehen. Ich weiß, hier sind besondere Mächte am Werk, sowohl gute als auch böse, auch wenn ich sie nicht verstehe.« Sie sah ihm geradewegs in die Augen. »Habt Ihr mich verzaubert? Habe ich mich deshalb von dem Stier hierherbringen lassen?«
    Er musste an seine Gebete und an die kleine Ricke denken, die er Freya kurz vor dem Morgengrauen geopfert hatte. »Nicht so, wie Ihr