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Nachtkrieger

Nachtkrieger

Titel: Nachtkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Hendrix
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die Bilder von nackter Haut auf nackter Haut vor ihrem inneren Auge aufsteigen ließen. Er gab sich wie ein höflicher, wenngleich ein wenig wortkarger Edelmann, der auf der Durchreise war. Als der Lebkuchen serviert wurde, beschloss sie, Ivo darauf anzusprechen.
    Sir Brand entschuldigte sich für einen Moment, und Ivo wandte sich ihr zu.
Endlich,
dachte sie, doch er ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen.
    »Ich werde meine Abwesenheit nicht näher erklären, Alaida«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Also fordere mich nicht noch einmal heraus, schon gar nicht in Gegenwart anderer.«
    »Ihr habt meine anfänglichen Worte falsch verstanden, My Lord.«
    »Mag sein, aber alles, was du danach sagtest, war kaum falsch zu verstehen.«
    Alaida wollte widersprechen, doch sie musste einsehen, dass es ihr an schlagkräftigen Argumenten mangelte. »Da kann ich nicht widersprechen, aber ich habe versucht, meine Worte zu mildern.«
    »Was dir leider nicht gelungen ist.«
    »Nein, wohl kaum.«
    An den niederen Tischen entstand sicher der Eindruck, dass sie in inniger Vertrautheit miteinander turtelten. Und so setzte Alaida ein Lächeln auf, als sie Ivo ins Gedächtnis rief: »Ihr habt mich auch schon provoziert.«
    »Aber nur, wenn wir allein waren. In Gegenwart meiner Männer kann ich so etwas nicht tolerieren.«
    »Nun, dann solltet Ihr vielleicht ein paar Regeln aufstellen, damit ich sie auswendig lernen kann«, gab Alaida zurück. Sie brach sich ein Stück Lebkuchen ab und wollte es in den Mund stecken.
    In dem Moment griff Ivo nach ihrer Hand und hielt sie zurück, als wäre sie ein ungezogenes Kind. »Abgesehen von heute Abend hast du die meisten Regeln ohnehin bereits befolgt.«
    Alaida sah ihm in die Augen und entdeckte einen Funken von Belustigung in seinem Blick. Sogleich verflog ein Großteil ihres Ärgers. »Meine selige Großmutter sagte des Öfteren, ich wisse nicht, wann es genug sei.«
    »Dann bin ich also nicht der Einzige, dem es so geht.«
    »Nein, My Lord, obwohl Ihr am meisten Anstoß daran nehmt.«
    »Tatsächlich?« Bevor sie darauf antworten konnte, nahm er ihre Hand, führte sie an seinen Mund und biss in das Stück Lebkuchen hinein. Als er mit den Lippen ihre Fingerspitzen berührte, sprang der Funke sogleich über.
    »Da ist noch ein Krümel«, sagte er. Er beugte sich über ihre Hand und berührte sie mit der Zunge. Offenbar fand er dort einen weiteren Krümel, denn er beugte sich abermals hinab und nahm ihren Daumen zwischen seine Lippen. Ein Kribbeln breitete sich in Alaidas Hand aus und erfasste ihren ganzen Körper. Sie wusste, er wollte sie vorbereiten, ihr einen Vorgeschmack geben auf das, was er später tun würde – wenngleich nicht mit ihrem Daumen. All die empfindlichen Stellen, die seine Zunge bereits zu spüren bekommen hatten, pulsierten vor Begehren.
    Als ihr bewusst wurde, dass sie es kaum noch erwarten konnte, errötete sie. Doch sie brachte es nicht fertig, die Augen von seiner Hand abzuwenden, die die ihre so fest und doch so sanft umschlossen hielt. Die Hand, die er sich verletzt hatte. Im Licht der Fackeln schien die Verletzung noch schlimmer als im schwachen Schein der Öllampe, blau und geschwollen. Alaida beugte sich vor, um einen Kuss auf Ivos böse zugerichtete Fingerknöchel zu hauchen.
    »My Lord«, unterbrach sie Brands Stimme, die wie eine Streitaxt zwischen sie fuhr. »Nur zur Erinnerung – wolltest du nicht mit Oswald sprechen?«
    Einen Augenblick, möglicherweise auch zwei Augenblicke lang erstarrte Ivo. Wie versteinert saß er da, mit abwesendem Blick, während er einen inneren Kampf auszufechten schien. Dann setzte er einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf und erhob sich.
    »Entschuldigt mich, My Lady. Ich muss mich um eine dringende Angelegenheit kümmern. Vielleicht möchtet Ihr Euch bereits zurückziehen.« Noch immer hielt er ihre Hand, zog Alaida sanft hoch und führte sie zur Treppe.
    Ohnehin irritiert aufgrund des erneuten Stimmungswandels, kam Alaida sich vor wie ein Kind, dass zu Bett geschickt wurde. Verwirrt stand sie da und wartete auf einen Blick oder eine Geste, die ihr verraten würde, was geschehen war. Dann sah sie abermals hinab auf seine Hand.
    Sie sah wirklich noch schlimmer aus als am Abend zuvor. Die Haut über den Knöcheln war aufgeplatzt und der Bluterguss dunkler. An den Fingerkuppen zeichneten sich mehrere feine Schnitte ab, ebenmäßig wie eine Reihe Zähne. Am Abend zuvor waren sie noch nicht da gewesen. Er musste also noch einmal

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