Nachtkuss - Howard, L: Nachtkuss - Burn
weißen Betonsteinwänden und dem blanken Betonboden folgte, in dem nur ein verschrammter Metallschreibtisch, ein paar Metall-Aktenschränke und zwei Stühle standen.
Er ließ sich in den Stuhl hinter dem verschrammten Schreibtisch fallen, bot ihr aber keinen Platz an. Stattdessen massierte er sich das Kinn, ohne sie anzusehen, und stieß einen Seufzer aus, der fast so schwer war wie sein Hintern.
»Du bist eine gute Arbeiterin«, sagte er schließlich. »Aber du hast in den letzten Wochen ziemlich viel Unruhe in den Laden gebracht. Die anderen …«
»Ich habe keine Unruhe hereingebracht«, widersprach Jenner hitzig. »Ich arbeite genauso wie immer.«
»Dann lass es mich anders ausdrücken. Du bist die Ursache für die Unruhe. Ständig rufen Reporter hier an oder stehen am Tor, und darüber gibt es Beschwerden. Ich weiß nicht, was du hier noch willst. Du brauchst den Job nicht, und viele andere hätten ihn bitter nötig. Warum tust du uns nicht allen einen Gefallen und kündigst?«
Das war so unfair, dass sie am liebsten den Kopf gegen die Wand geschlagen hätte. Stattdessen streckte sie die Schultern durch und biss die Zähne zusammen. »Weil ich was zu essen kaufen und meine Miete und die Stromrechnung bezahlen muss wie jeder andere auch«, erwiderte sie
fast knurrend. »Glaub mir, sobald ich genug Geld zum Überleben habe, seid ihr mich los. Aber was soll ich bis dahin tun? Auf der Straße pennen?«
Er seufzte wieder. »Hör zu. Ich mache auch nur meinen Job. Die Jungs im Hauptgebäude wollen dich raushaben.«
Frustriert und rasend vor Wut warf sie die Hände in die Luft. »Na schön. Dann sollen sie mich rauswerfen, damit ich Arbeitslosengeld bekomme, bis mein Gewinn ausgezahlt wird.«
»Sie wollen nicht …«
»Mir egal, was sie wollen. Mir ist nur wichtig, dass ich Geld zum Leben habe.« Die Hände auf den Tisch gestützt, beugte sie sich vor, und der Zorn strahlte von ihrem ganzen Körper aus. »Seit ich sechzehn bin, zahle ich in die betriebliche Arbeitslosenversicherung ein, ohne dass ich je einen Dollar davon beansprucht hätte. Wenn ihr mich rauswerfen wollt, ohne dass ich Klage einreiche - und glaub mir, es dauert nicht mehr lange, dann kann ich mir einen Anwalt leisten, der so gut ist, dass er dieses Unternehmen über Jahre hinweg in einen Rechtsstreit verwickelt, durch den ihm Kosten entstehen, gegen die ein paar Wochen Arbeitslosengeld ein Klacks sind -, dann nur so und nicht anders. Feuert mich, bewilligt das Arbeitslosengeld, und ich bin draußen. Kommt mir blöde, und die Rechtskosten werden dieses Unternehmen in den Ruin treiben. Haben wir uns verstanden? Richte das den Typen in der Zentrale aus und sag mir Bescheid, was sie dazu meinen.«
Sie stakste aus dem Büro, zog ihren hässlichen Overall und die Haube über und stempelte. Sie kam zu spät zu ihrer Schicht - na und? Es war ihr scheißegal. Tatsächlich fühlte sie sich trotz ihrer Wut überraschend gut. Okay, sie
hatte immer noch kein Geld, aber dafür hatte sie andere Möglichkeiten, und eine davon hatte sie eben genutzt.
Keine ihrer Kolleginnen sprach sie an, nicht einmal Margo. Jenner ignorierte sie so angestrengt, wie sie ignoriert wurde. Vermutlich hatte sich mehr als eine beim Management über sie beschwert und dabei mächtig übertrieben, wie sehr ihre Anwesenheit störte, damit man endlich auf sie einwirkte, ihren Job zu kündigen. Vielleicht hätte sie jeden Tag Donuts mitbringen und alle einladen sollen, aber, verflucht noch eins, sie hatte kein Geld! Wieso war das so schwer zu kapieren?
Weil es die Menschen nicht wahrhaben wollten, erkannte sie. In ihrer Vorstellung führte ein Glücksfall - wie etwa ein Lotteriegewinn - zu sofortigem Reichtum und bedeutete das Ende aller Probleme und Geldsorgen. Sie wären glücklicher gewesen, wenn sie sich ein neues Auto gekauft und ihnen erzählt hätte, welche großen neuen Wohnungen und Häuser sie besichtigt hatte, fast als würde sie das stellvertretend für alle anderen durchexerzieren. Stattdessen war sie genau so pleite wie früher. Sie hatte ihre Mitmenschen enttäuscht, ihre Fantasien Lügen gestraft, und jetzt wollten sie nichts mehr mit ihr zu tun haben.
Nach nicht einmal einer Stunde kam Don Gorski an ihren Arbeitsplatz. »Du musst was unterschreiben«, sagte er, und sie folgte ihm, diesmal nicht in sein Büro, sondern in ein größeres im Hauptgebäude, wo zwei Männer arbeiteten, die sie schon öfter gesehen hatte, deren Namen sie aber nicht kannte.
»Wir
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