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Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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jetzt schon verdienen, wenn der Anzugträger auch mitmacht«, sagte ich. »Das ist doch was. Du verdienst doch garantiert noch kein eigenes Geld. Wie alt bist du? Sechzehn?«
    Als ich meine Hand auf ihren Oberschenkel legte, zuckte sie zusammen und antwortete leise: »Fünfzehn.«
    Dabei starrte sie unverändert unter dem Arm des Penners hindurch aus dem Fenster. Wir rauschten in einen Tunnel. Die Innenbeleuchtung schaltete sich ein, und als das Mädchen ihr Spiegelbild in der Scheibe bemerkte, sah sie zu Boden.
    »Der alte Sack will bestimmt nichts von dir«, sagte ich, auf einen Rentner deutend, »aber vielleicht reicht es ihm schon, wenn er zugucken kann. Das wären dann allerdings nur fünf Mark.«
    Inzwischen sprach ich nicht mehr im Flüsterton, aber die übrigen Fahrgäste reagierten nicht, wir waren wie unsichtbar. Während der Penner mit einer Hand in seiner Hosentasche herumfummelte, keuchte ich dem Mädchen in den Nacken:
    »Selbstverdientes Geld. Das ist doch besser, als immer Papa anbetteln zu müssen. Der gibt dir doch die Kohle nicht gerne, wenn du dafür solche Klamotten kaufst. Findet dein Vater das gut, wenn dir alle Leute auf die Titten gucken können?«
    »Nein«, sagte sie kaum hörbar.
    »Den Leuten hier gefällts«, sagte ich, und der Penner brummte zustimmend. Noch immer mischte sich niemand |259| ein, nur eine Gruppe BWL-Visagen schielte zwischen den weggedrehten Köpfen der anderen Fahrgäste zu uns herüber.
    »Wie heißt du?«, wollte ich von dem Mädchen wissen, und weil sie nichts sagte, begann ich zu raten: »Özgen? Dilara? Selma? Belgin?« Unter ihrem Parfum roch ich nun auch ihren Schweiß und sah ihn zwischen ihren Brüsten. Der Sauerstoff schwand zusehends aus dem Waggon.
    »Zehn Mark, wenn du mir deinen Namen verrätst, und …«
    »Yasemin ist ein schöner Name«, unterbrach mich der Penner, der mit der Hand noch immer in seiner Tasche zugange war.
    »Klappe halten«, sagte ich.
    Wohl noch immer im Glauben, ich würde ihm gegebenenfalls seinen Anteil des Geldes auslegen, muckte er nicht auf.
    »Hast du schon mal jemandem einen geblasen, Yasemin?«, fragte ich und sie flüsterte: »Hören Sie bitte auf.« Kurz drehte sie sich zu mir um, wandte den Kopf aber rasch ab, als ich ihr zuzwinkerte.
    »Ich glaube, du hast schon dem einen oder anderen Kerl einen geblasen«, sagte ich. »Ich sehe so was in den Augen von Frauen, wenn sie schon mal einen Schwanz im Mund hatten.«
    Ruckartig ließ sie ihren Kopf sinken und schluchzte erstickt.
    »Du musst es nicht runterschlucken«, sagte ich wie zur Beruhigung.
    »Für so viel Geld würde ich ganz andere Sachen machen, Yasemin«, sagte der Penner, und fast klang es väterlich.
    »Wann hast du das letzte Mal gevögelt?«, wandte ich mich an ihn, aber er zuckte mit den Schultern. »Vor knapp zehn Jahren.«
    »Lange Zeit«, sagte ich und ließ meinen Blick wieder durchs Abteil wandern. Nach wie vor wurden wir übersehen. Für den Penner war das sicherlich nichts Neues, aber ich war es gewohnt, in irgendeinem Maße wahrgenommen zu werden, |260| und für das Mädchen in ihrer engen Kleidung muss diese Situation völlig neu gewesen sein. Eine Träne lief ihr über die Wange.
    »Nicht weinen, Yasemin. Wenn du traurig bist, bin ich auch traurig«, sagte ich.
    Wir näherten uns der nächsten Haltestelle, der Endstation. Ächzend und quietschend wurde die Bahn langsamer.
    »Wer von euch will von Yasemin einen geblasen bekommen?«, rief ich in die Menge, aber mehr als das Kopfschütteln einer älteren Frau bekam ich nicht als Reaktion.
    »Ich«, brabbelte der Penner; in seiner Hosentasche herumknetend, aber ich ignorierte ihn.
    »Irgendwer?!«
    Schließlich stoppte die Bahn, und die Türen öffneten sich. Luft sog sich in den Wagen, als die ersten Fahrgäste hinausströmten.
    »Wollt ihr ihre Titten sehen?«
    Damit riss ich dem Mädchen das Top unter die Achseln. Kein Widerstand. Ihre Arme hingen wie Fremdkörper an ihren Schultern, und sie starrte regungslos auf den Boden. Niemand drehte sich zu uns um. Der Penner stöhnte erleichtert und kniff die Augen zusammen.
    Die Bahn leerte sich rasch, aber das Mädchen rührte sich nicht, sondern stand nur da und sah mich an. Den Kopf entspannt gegen die Scheibe gelehnt, hatte es sich der Penner auf einem der frei gewordenen Sitze bequem gemacht.
    »Wir müssen jetzt aussteigen«, sagte ich schließlich.
    Langsam zog sich das Mädchen das Top zurecht, während der Penner mich ansah, als würde er darauf warten,

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