Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
»Sie fiebert noch immer, und solange sie nicht wieder bei Kräften ist, kann ich keinen Besuch zulassen. Vor allem keinen, der sie so sehr aufregt!« Der Arzt sah Lorena streng an. »Ich weiß ja nicht, worüber sie gesprochen haben, gut hat es Frau Maschek jedenfalls nicht getan!«
Er legte eine Pause ein und sah Lorena auffordernd an, doch sie schwieg. Sie würde einen Teufel tun und mit dem Arzt über Nachtmahre und ihre Probleme plaudern!
»Darf ich mich wenigstens von ihr verabschieden?«
Der Arzt erhob sich und nickte. »Gut, ich werde ihrer Pflegerin Bescheid sagen. Sie wird Sie begleiten.«
Er traut mir nicht über den Weg, dachte Lorena bitter, folgte aber der Schwester ins Zimmer ihrer Großmutter.
Da lag sie bleich und eingefallen in ihrem Bett, den Blick starr zur Decke gerichtet. Sie murmelte ein paar unverständliche Worte, als Lorena zu ihr trat, sich über sie beugte und sie auf die Wangen küsste.
»Bitte, werde wieder gesund, Großmutter«, flüsterte sie. »Wir müssen noch über so viele Dinge reden. Ich komme wieder, sobald es mir möglich ist.«
Schweren Herzens verließ sie das Zimmer. In einem der Aufenthaltsräume wartete sie bis zum Nachmittag, dann brach sie unverrichteter Dinge zum Flughafen auf.
Kapitel 17
ERNEUT NACH HAMBURG
Jason holte sie vom Flughafen ab. Es war tröstlich, sich an ihn zu schmiegen, und doch wäre sie lieber mit ihren Gedanken und Gefühlen allein gewesen. Was konnte sie ihm schon berichten? Nichts von dem, was ihr etwas bedeutete und sie umtrieb. So war sie ungewöhnlich schweigsam, während sie in einem kleinen Pub Fish und Chips aßen.
»Willst du mir denn gar nichts erzählen?«, fragte Jason schließlich, als sie ihre Teller und die Gläser geleert hatten. »Es geht deiner Großmutter schlecht, nicht wahr? Deshalb bist du so überstürzt zu ihr geflogen.«
Lorena nickte. »Ja, ich mache mir große Sorgen, und ich fühle mich schuldig, dass ich sie so lange vernachlässigt habe.« Das wenigstens stimmte, und sie konnte an Jasons mitfühlender Miene sehen, dass er sie verstand.
»Ich weiß einfach nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt. Ihr Geist ist nur noch zu bestimmten Zeiten klar. Als ich sie verließ, erkannte sie mich nicht einmal mehr. Sie sagte wirres Zeug, das ich nicht verstand. Es tat mir so weh, aber ich konnte nicht zu ihr vordringen. Und nun frage ich mich, ob es ihr heute besser ginge, wenn ich sie nicht mit meinem alten Leben zurückgelassen und mit all dem anderen, das ich vergessen wollte, aus meinen Gedanken verdrängt hätte.«
Jason sah sie lange an, ehe er wieder sprach. »Du kannst dir nun natürlich die Schuld dafür geben und mit dir hadern, aber du weißt selbst, dass dies nichts an der Situation ändert. Du hattest damals deine Gründe, dein altes Leben in Hamburg zurückzulassen und hier in London ganz neu anzufangen. Ich weiß ja nicht sehr viel von deinem alten Leben, doch was ich weiß, ist, dass Dinge passiert sind, die schmerzhafter waren, als deine Seele ertragen konnte. Du hast in jungen Jahren deine ganze Familie verloren, und dennoch hast du den Mut gefunden, noch einmal ganz von vorn zu beginnen und ein positiver, fröhlicher Mensch zu werden. Was willst du dir vorwerfen?«
»Dass ich Großmutter geopfert habe«, sagte Lorena leise. »Das hatte sie nicht verdient. Sie war nach Mamas Tod immer für mich da, und sie hat nie mir die Schuld gegeben für das, was alles passiert ist. Und ich habe sie dafür mehr als zehn Jahre in diesem Heim allein in ihrem Rollstuhl sitzen lassen! Auch sie hat ihre ganze Familie verloren, nicht nur ich. Sie musste ihre Tochter, ihren Schwiegersohn und ihre Enkelin begraben.«
Jason streichelte sanft ihre Hände. Sie sah in seinem Blick, wie sehr ihn ihre Seelenpein schmerzte. Das tat gut.
»Vielleicht hast du einen Fehler gemacht oder sie ungerecht behandelt, um dich selbst zu retten. Doch wie hättest du dich um sie kümmern können? Du warst gerade einmal fünfzehn, bist in ein neues Land gekommen und warst selbst aus der Bahn geworfen. Wie hättest du eine alte Frau im Rollstuhl aufnehmen und pflegen können?«
»Ich hätte sie zumindest besuchen können.«
Jason nickte. »Ja, das hättest du vielleicht, aber das Vergangene ist vergangen und lässt sich nicht mehr ändern. Du kannst dir nur für die Zukunft vornehmen, es anders zu machen. Wer weiß, vielleicht erholt sie sich wieder, und euch bleiben noch viele schöne Stunden zusammen.«
Lorena lächelte ihn an. »Ja, das
Weitere Kostenlose Bücher