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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Lichtschein am Horizont zu, der sich wie eine Glocke über die Stadt spannte.
    Es war ein seltsames Gefühl. Sie war nicht mehr allein. Sie flog Seite an Seite mit einem Nachtmahr, um sich ihre Welt zeigen zu lassen. Ein Gefühl von Spannung und Vorfreude breitete sich in ihrem Innern aus und löschte jede andere Regung aus. Sie spürte ein Jauchzen in sich aufsteigen. Der Wind blähte ihre Flügel und zerrte an ihrem Haar. Sie fühlte sich so frei. Ihre Grübeleien hatte sie unten am schilfgesäumten Ufer zurückgelassen. Nun war in ihr nur noch Raum für das Glücksgefühl, das ihr kribbelnd durch die Adern rann. Heute Nacht war sie nur ein Nachtmahr, der sich an der Seite eines anderen Mahrs auf die Jagd machte.
    Die beiden Nachtmahre hatten sich gerade in den Nachthimmel erhoben, als sich aus dem Schilf noch zwei Schatten lösten und von gemächlich auf die Stelle zuschritten, an der Raika und Lorena eben noch gestanden hatten. Sie waren beide groß und von beinahe hagerer Gestalt, doch während das Haar der einen bereits ergraut war, konnte die andere kaum über dreißig Jahre alt sein.
    »Na, ob das so die richtige Taktik ist? Mylady wird sehr zornig sein, wenn ihr Plan fehlschlägt«, sagte die Jüngere, die den schwindenden Schatten der beiden Nachtmahre nachsah und den Kopf schüttelte.
    »Der Plan darf nicht fehlschlagen. Vielleicht hängt unser aller Überleben davon ab.«
    »Dann frage ich mich, warum Mylady ausgerechnet Raika mit dieser Aufgabe betraut«, sagte die Dunkelhaarige ein wenig missmutig. Wie ihre Begleiterin trug sie einen streng geschnittenen, dunklen Hosenanzug, der sie noch größer und dünner wirken ließ. Sie trugen keinen Schmuck, das lange Haar war zu einem festen Knoten frisiert, und auch sonst gab es nichts, was die Strenge ihrer Aufmachung auflockerte. Das einzig Besondere an i hren eng anliegenden Jacketts waren die beiden schrägen Nähte über den Schulterblättern, die sich bei genauerem Hinsehen als zwei Schlitze zwischen den überlappenden Stoffschichten entpuppten.
    »Mylady weiß, was sie tut«, sagte die Ältere bestimmt. »Unsere Aufgabe ist es, ihre Anweisungen zu befolgen, und diese lauten: zu beobachten.«
    »Und nur im äußersten Notfall einzugreifen«, ergänzte die Jüngere. »Aber werden wir erkennen, wann die Zeit gekommen ist? Audry, mir ist nicht klar, was Raika mit dieser Aktion gewinnen will?«
    Audry lächelte grimmig. »Ich habe da so eine Ahnung. Nun, vielleicht geht ihr Plan auf.«
    »Oder sie hat gar keinen Plan und folgt wie üblich nur ihren niederen Instinkten.«
    »Wir werden sehen. Jedenfalls werden wir sie die Nacht über nicht aus den Augen lassen. Also komm, Grace, wir dürfen sie nicht verlieren.«
    Grace entfaltete ihre Flügel. »Dann wollen wir hoffen, dass unser Eingreifen nicht nötig werden wird.«
    Auch Audry klappte ihre Schwingen auf, die so schwarz waren wie ihr strenger Hosenanzug. Sie wollte sich gerade in die Luft erheben, als Grace sie mit einem Ausdruck von Unsicherheit ansah.
    »Meinst du, sie würde dich wiedererkennen, wenn sie dich sieht?«
    »Wer? Lorena?«
    Grace nickte. »Sie hat sich damals gewehrt, als es dann zu diesem folgenreichen Handgemenge kam.«
    »Was weißt du darüber?«, entgegnete Audry scharf. »Das ist jetzt fast sechzehn Jahre her.«
    »Ja, ich weiß. Lorena hat begonnen, sich zu wandeln, als wenige Monate später ihre Schwester verschwand. Und dann hat Mylady dir und Chloe den Auftrag gegeben, sie zu holen … War es nicht so?«
    Audry schwieg und starrte Grace abweisend an, doch diese ließ nicht locker.
    »Etwas muss schiefgegangen sein, denn am Ende war die Mutter tot, und ihr habt Lorena nicht mit nach England gebracht.«
    »Das ist lange her«, wehrte Audry ab. »Ja, es lief nicht so, wie ursprünglich gedacht, doch dann hat Mylady ihren Plan geändert und beschlossen, Lorena noch eine Weile bei ihrer Familie zu lassen, natürlich unter unserer Aufsicht.«
    »Und Lorena weiß wirklich nicht, was in dieser Nacht vorgefallen ist?«, bohrte Grace weiter.
    »Nein, ihre Erinnerungen an diesen Vorfall sind gelöscht. Sowohl die Polizei als auch ihr Vater waren davon überzeugt, sie habe in einem Anfall pubertären Zorns ihre Mutter die Treppe hinuntergestoßen, wobei sie sich das Genick brach. Warum sollte Lorena etwas anderes denken?« Audry schlug mit den Schwingen und schoss in die Höhe, um der Unterhaltung ein Ende zu setzen.
    Grace folgte ihr, murmelte aber ein wenig trotzig vor sich hin: »Und

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