Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
genügte, sodass sich Noah aus ihrem Bann lösen konnte. Sein ganzer Zorn vereinte sich auf den neuen Störenfried. Ehe Lorena etwas dagegen tun konnte, stieß er zu. Sie schaffte es gerade noch, Jason so weit zur Seite zu ziehen, dass die Klinge ihm nur in die Schulter fuhr. Er stöhnte auf, während Noah den Dolch mit einem Ruck aus der Wunde riss. Noch einmal hob er den Arm.
Lorena zögerte nicht. Mit den Kräften eines Nachtmahrs umschlang sie Jasons Körper. Die Flügel durchschnitten den Stoff ihrer Jacke, und mit einem einzigen kräftigen Schlag machte sie einen Satz in die Höhe, wobei sie Jason mit sich zog.
Noah hielt mitten in der Bewegung inne. Seine Augen weiteten sich, als er nach oben blickte. Er merkte nicht, wie Tyler sich aufrappelte und seine Hand in die Hosentasche fuhr. Nicht, wie er das kleine Messer zückte und ausholte …
Lorena spürte seine Absicht und schrie auf, doch sie musste erst Jason in Sicherheit bringen.
Zu spät. In dem Moment, als ihre Füße wieder auf dem Boden aufsetzten und sie Jason auf das Straßenpflaster gleiten ließ, stieß Tyler zu. Die Klinge war schmal und nicht besonders lang, doch entweder führte ein böser Dämon seine Hand, oder er wusste sehr genau über den menschlichen Körper und seine Schwächen Bescheid. Die Klinge glitt zwischen zwei Rippen hindurch und fuhr Noah direkt ins Herz. Für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Weder Tyler noch Noah rührten sich. Dann lief ein Zittern durch Noahs Körper, seine Hand öffnete sich, der Dolch fiel zu Boden. Sein Blick traf Lorena, die auf ihn zueilte und ihre Arme unter seine Achseln schob, gerade als er tödlich getroffen zusammenbrach. Mit seinem letzten Atemzug entwich noch ein einziges Wort seinen Lippen. Es war nicht mehr als ein Hauch, doch Lorena verstand, was er sagte.
»Faith!«
Dann starb er in ihren Armen. Lorena ließ ihn zu Boden sinken und wirbelte herum. Die Kraft ihres Zorns vereinte sich mit der magischen Kraft des Nachtmahrs. Sie traf Tyler an der Schläfe, sodass er augenblicklich bewusstlos zusammenbrach. Das Messer mit der blutigen Klinge fiel klappernd zu Boden.
»Hallo, ja, das ist ein Notfall …«
Lorena fuhr herum. Jason drückte sich mit der einen Hand auf die stark blutende Wunde in seiner Schulter, mit der anderen hielt er sein Handy ans Ohr.
»Es gibt mehrere Verletzte«, presste er unter Schmerzen hervor.
Lorena nahm ihm das Handy aus der Hand. Ein innerer Impuls drängte sie, die Verbindung zu unterbrechen, doch ein Blick in Jasons totenblasses Gesicht genügte, um ihn zu unterdrücken.
»Oben bei der Portobello Road kurz vor dem Westway«, sagte sie mit fester Stimme. »Wir brauchen einen Notarzt. Beeilen Sie sich.« Dann schlang sie beide Arme um Jason und drückte ihn an sich. Die Welt um sie herum verschwand. Sie spürte, wie er schwächer wurde, und redete irgendetwas auf ihn ein, um ihn wach zu halten. Erst als Raikas hohe rote Stiefel in ihrem Gesichtsfeld auftauchten, kehrte sie in die Wirklichkeit zurück.
»Ich denke, der Krankenwagen wird jeden Moment da sein. Ich kann eine Sirene hören …«
»… was bedeutet, dass du dich jetzt aus dem Staub machst«, ergänzte Lorena bitter.
»Exakt. Ich kann mir keinen Ärger leisten. Aber dir gebe ich noch einen Rat. Wandle dich, bevor die Polizei auftaucht. Auch wenn du als Nachtmahr ein leichteres Spiel mit ihr hast. Auf lange Sicht zahlt es sich nicht aus. Glaub mir, ich habe da so meine Erfahrungen. Außerdem können sie verdammt hartnäckig mit Personalien und so einem Zeug sein. Es würde sie wundern, dass sie nur eine Lorena und keine Faith in ihren Computern finden.«
Gerade als der Krankenwagen in Sicht kam, wandte sie sich ab und erhob sich mit einem kräftigen Flügelschlag in die Luft.
Ohne Jason loszulassen, wandelte sich Lorena zurück und empfing dann die Sanitäter einigermaßen gefasst. Zum Glück kam die Polizei gleich hinterher. In kurzen, abgehackten Sätzen berichtete sie, was geschehen war – oder zumindest eine Version, die hoffentlich plausibel war und der Wahrheit möglichst nahe kam. Obwohl die Beamten viele Fragen hatten, beharrte sie darauf, mit Jason ins Krankenhaus zu fahren, wo er sofort operiert werden musste, wie die Sanitäter meinten.
»Sie wissen ja, wo Sie mich finden«, schnitt sie die Fragen des Polizeibeamten ab und drückte ihm ihren Ausweis in die Hand. »Hier! Ich laufe Ihnen schon nicht weg.« Dann wandte sie den Polizisten den Rücken zu und sah die beiden
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