Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
entgegnete Raika mit beleidigter Miene. Sie ging an Lorena vorbei und betrat das Wohnzimmer. Neugierig sah sie sich um, dann nahm sie auf einem der Sessel Platz und blickte Lorena herausfordernd an. »Hast du dich beruhigt? Gut, dann reden wir. Was willst du wissen?«
Lorena fühlte sich hilflos. Jahrelang hatten Fragen über Fragen sie gemartert, und nun, da sich jemand, der das alles am eigenen Leib erfahren hatte, bereit erklärte, ihr Antworten zu geben, wusste sie nicht, wo sie anfangen sollte. Sie dachte an Jason im Krankenhaus und spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Hastig blinzelte sie sie weg. Ja, das war es, was sie im Augenblick am dringendsten wissen wollte.
»Warum verderben wir die Männer, mit denen wir zusammen sind?«, begann sie. »Wir sind wie ein schleichendes Gift für sie. Gibt es denn keine Möglichkeit, eine Beziehung zu führen, ohne dem, den wir lieben, zu schaden?«
Raika zuckte die Schultern. »Ich habe noch nie jemanden geliebt, daher kann ich dir das nicht so genau sagen. Ich finde Männer nur unterhaltsam, zumindest für eine Weile, aber dann werden sie mir langweilig, und ich suche mir neue. Doch ich habe schon bemerkt, dass das nichts für dich ist. Daher liebe du deinen Jason, und werde glücklich mit ihm! Das mit seiner Schulter wird schon wieder. Er sollte halt lernen, dass es nicht gesund ist, sich überall einzumischen. Wir Nachtmahre sind ganz gut in der Lage, selbst auf uns aufzupassen.« Sie lachte auf, doch Lorena brachte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen.
»Das meine ich nicht. Nicht nur. Ich spreche von der Veränderung des Charakters, die einen wundervollen Mann innerhalb weniger Wochen zu einem Monster werden lässt, der nicht zögert, mit einem Messer auf seinen Freund loszugehen.«
Lorena sah, wie Raika verlegen zur Seite blickte. Sie wand sich. Dann sagte sie: »Mir ist nicht aufgefallen, dass sich Jason irgendwie zu seinem Nachteil verändert hätte … Dir vielleicht?«
»Nein«, gab Lorena zu. »Aber ich habe es bei den anderen gesehen, und ich warte nicht, bis es auch bei Jason zu spät ist. Ich kann ihn nicht wiedersehen, sosehr es mich auch schmerzt.«
»Nein, das darfst du nicht«, rief Raika erschrocken.
»Ich habe mich entschieden und es ihm bereits gesagt«, gab Lorena mit fester Stimme zurück. »Ich werde Jason nicht wiedersehen.«
»Das geht nicht!«, sagte Raika nun beinahe flehend. »Ihr müsst zusammenbleiben.«
»Weshalb? Warum interessiert dich das? Was geht es dich an?«
Raika wehrte ab. »Das ist nicht meine Entscheidung. Mylady wird mich von ihren Guardians einen Kopf kürzer machen lassen, wenn sie davon erfährt. Sie hat mir gesagt, dass genau das nicht passieren darf!«
Lorena zog eine Grimasse. »So schlimm wird es nicht werden.«
»Hast du eine Ahnung! Du weißt nicht, wie sie ist, wenn man ihren Zorn entfacht, und ihre Guardians können verdammt gut mit einem Schwert umgehen.«
Lorena starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Wer ist diese Lady, und warum will sie, dass ich mit Jason zusammenbleibe?«
Raika schüttelte den Kopf. »Mylady ist die mächtigste unter uns Nachtmahren. Sie spinnt alle Fäden. Niemand kennt ihre Pläne, doch sie weiß anscheinend immer, was jede von uns gerade tut«, fügte sie mit frustrierter Miene hinzu. »Das andere kann ich dir nicht sagen, weil ich es auch nicht so genau weiß. Es geht um eine Prophezeiung, die irgendwie ganz wichtig für uns Nachtmahre ist.«
»Aber die Lady weiß es?«
»Ja, sicher, sie weiß alles«, pflichtete ihr Raika bei.
»Dann kennt sie vermutlich auch alle Antworten auf meine Fragen.« Lorena erhob sich. »Bring mich zu ihr!«
Auch Raika sprang auf. »Nein, nein, nein, so geht das nicht. Man kann nicht einfach zu Mylady gehen. Man muss von ihr gerufen werden.«
»Aber du weißt, wo man sie finden kann?«
Raika nickte widerstrebend.
»Und du hast sie schon öfter gesehen?«
»Ja, in letzter Zeit musste ich ihr immer mal wieder Bericht erstatten«, gab sie zu.
»Über mich«, ergänzte Lorena. Es war eher eine Feststellung als eine Frage, daher schwieg Raika.
»Und du bist immer nur zu ihr gegangen, wenn sie nach dir gerufen hat?«, bohrte Lorena weiter.
»Nun ja, oder wenn sich etwas Außergewöhnliches ereignet hat, etwas, mit dem keiner rechnen konnte. Dann musste ich das ja melden.«
»So eine Nachricht wie die, dass ich mich von Jason getrennt habe? Würdest du ihr das sagen?«
Raika stöhnte. »Nicht gern, das kannst du mir
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