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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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hin?«
    Es schlossen sich noch elf weitere Musiker des Orchesters zu einem Drink in einem Pub am Sloane Square gleich um die Ecke an. Lorena merkte bald, dass die Musiker nicht so ernst waren wie die Musik, die sie spielten. Zumindest die, die sie an diesem Abend kennenlernte, ergaben eine lustige Truppe. Sie erkannte zwei der Violinistinnen wieder und die Frau, die die Harfe gespielt hatte. Außerdem kam der erste Cellist mit, einer der Bratschenspieler und der Oboist. Die anderen konnte sie nicht mehr zuordnen. Außer natürlich den Mann an den Pauken. Er war ein lustiger Zeitgenosse, klein, untersetzt und fast kahl. Lorena musste ein Kichern unterdrücken, denn er erinnerte sie an die Szene in Der Mann, der zu viel wusste , als der Musiker bei einem Konzert in der Royal Albert Hall die Becken schlug, die den Schuss des Attentäters übertönen sollten.
    »Was schmunzelst du?«, erkundigte sich Jason.
    Sie beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte: »Ich sehe Alfred Hitchcock vor mir.«
    Jason zwinkerte ihr zu. Er wusste sofort, wovon sie sprach. »Ja, unser Paul ist genauso gut mit den Becken, aber noch hat keiner versucht, während seiner Konzerte einen Mordanschlag zu verüben.«
    »Wirklich langweilig«, stimmte ihm Paul zu, der seine Worte gehört hatte. Er grinste breit. »Und in Hollywood wollte auch noch keiner was von mir hören.«
    »Tja, und solange er noch nicht entdeckt ist, muss er sich halt mit uns und seinen Pauken herumschlagen«, sagte die erste Violinistin und hob ihr Glas, um Paul zuzuprosten.
    »Es ist mir ein Vergnügen, solange ich so wunderbare Kollegen habe wie dich, verehrte Bian.«
    Die Violinistin verneigte sich mit einem Lächeln. Sie war eine hübsche, kleine Frau mit dem langen schwarzen Haar der Vietnamesen. Überhaupt spielten recht viele Musiker asiatischer und russischer Abstammung im Orchester mit. Die Konkurrenz war stark. Wie beim Ballett drängten immer mehr Künstler aus dem Osten an die Spitze.
    »Was nicht verwunderlich ist«, sagte Jason. »Sie sind ehrgeizig und treiben sich bis zum Äußersten, um Perfektion zu erlangen. Es gilt in ihren Familien als große Ehre, hier im Westen ein Engagement zu finden, und natürlich zählt auch das Geld, das sie verdienen und mit dem sie ihre Angehörigen unterstützen können. Westliche Jugendliche und Musikstudenten wollen nicht nur ackern und üben. Sie wollen leben und ausgehen, Freunde haben und Spaß. Kein Wunder, dass ihnen die Konkurrenz aus dem Osten oft weit voraus ist.«
    »Und dennoch hast du es geschafft«, sagte Lorena warm und drückte Jasons Arm.
    »Ja, ich habe es geschafft, und ganz ehrlich, ich kann es immer noch nicht recht fassen. Ich spiele diese Saison in einem der besten Orchester der Welt! Es ist unglaublich.«
    »Ja, unglaublich, wie niedrig unsere Gagen sind«, meinte Paul. »Es geht doch immer noch das Gerücht um, Applaus sei des Künstlers Brot. Kann man davon wirklich abbeißen? Mir ist das noch nicht gelungen.«
    »Deshalb bist du ja auch so vom Fleisch gefallen, armer Mann.« Bian kicherte.
    Die anderen fielen in das Gelächter ein. Paul sah mit einer Grimasse an sich herunter. »Was denn? Habe ich eben alles hart erarbeitet. Auf uns und unsere Europatournee!«, rief er enthusiastisch und bestellte für alle noch eine Runde Guinness.
    »Skoal!«
    Sie prosteten einander zu. Lorena nippte nur an ihrem Glas. Für ihre Begriffe hatte sie schon viel zu viel Bier getrunken, wodurch sich ein dringendes Bedürfnis einstellte. Sie entschuldigte sich und eilte auf die Toilette. Als sie zurückkam, blieb ihr Blick wie zufällig an der Uhr über dem Tresen hängen. Entsetzt schlug sie eine Hand vor den Mund. Es waren nur noch fünf Minuten bis zwölf! Hastig verabschiedete sie sich von Jason und seinen Kollegen.
    »Ich begleite dich nach Hause«, schlug Jason vor, doch sie schnappte ihre Jacke und rannte hinaus.
    »Nicht nötig«, rief sie.
    Lorena schlüpfte aus ihren hohen Schuhen und lief so schnell sie konnte die Sloane Street entlang, doch sie schaffte es nicht mehr bis zum Hydepark, ehe die Glocken Mitternacht schlugen. So musste sie sich hinter ein parkendes Auto ducken, um sich zu wandeln. Keuchend richtete sie sich wieder auf und sah die Straße hinunter. Es waren noch etliche Passanten unterwegs, doch Jason konnte sie nicht unter ihnen entdecken. Er war ihr nicht gefolgt. Gut so!
    Sie unterdrückte den Impuls, in den Pub zurückzukehren, und machte sich stattdessen durch den nächtlichen Hydepark nach

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