Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
wenigen Takten die Rhythmen aufzunehmen begannen. Sie wippte mit den Zehen, während sie aufmerksam das Paar beobachtete, das ihnen die Grundbewegungen der Salsa demonstrierte. Diego und Maria Isabel waren so lebendig und strahlten so viel Lebensfreude aus! Und wie sich ihre Körper miteinander bewegten. Lorena spürte die Sehnsucht in sich brennen, es ihnen mit Jason gleichtun zu können.
»Nun seid ihr dran. Kommt auf die Tanzfläche. Wir üben die Bewegungen und die Schritte erst ein wenig so, dann kommt die Musik dazu. Und denkt immer daran: Das Wichtigste ist, dass ihr locker seid und Spaß dabei habt. Der Rest kommt von ganz allein!«
»Na hoffentlich«, murmelte Lorena und wusste, dass ihr bereits die ersten beiden Punkte Schwierigkeiten bereiteten. Wie konnte man locker sein, wenn man doch wusste, dass man etwas nicht konnte und sich hier zum Affen machte? Sie mühte sich, die Schritte nachzumachen und ihre Hüfte zu schwingen, doch es hatte nichts mit den Bewegungen gemein, die die beiden Tänzer zeigten. Sie waren so schön und wirkten so heißblütig. Allein ihre bronzefarbene Haut und das schwarze Haar waren pure Exotik. Vermutlich haben sie diese Bewegungen bereits mit der Muttermilch eingesogen , dachte Lorena eingeschüchtert. Sie dagegen war einfach nur steif und unbeholfen. Das hatte mit Tanzen nichts gemein! Sie tappte lediglich ein paar Schrittfolgen nach. Wie befürchtet, würde dieser Abend in einem Fiasko enden. Da half auch das passende Kleid nichts. Es war ihr nur ein schwacher Trost, dass sich die anderen meist nicht besser anstellten.
»Das macht ihr schon ganz super«, log der kakaobraune Tänzer, ohne die Miene zu verziehen. Vermutlich hatte er seine Illusionen schon lange begraben. »Und nun mit Musik!«
Er legte eine CD ein und drehte den Regler auf. Musik durc hflutete den Raum. Lorena konnte sie nicht nur hören, sie empfand sie am ganzen Körper. Die Musik hüllte sie ein, umwand sie und strich ihr über die Haut, deren Härchen sich aufzustellen begannen. Sie konnte spüren, wie sich der Rhythmus über den Boden ausbreitete und ihr in die Beine stieg.
Diego zählte die ersten vier Schläge mit, doch sie brauchte ihn nicht mehr. Ihre Beine schienen ein Eigenleben zu entwickeln. Und nicht nur ihre Beine! Es lief von ihren Füßen aus wie Wellen durch ihren ganzen Körper, der eins wurde mit dem Rhythmus der Musik. Sie brauchte nicht mehr über die Schritte nachzudenken oder wie sie ihre Hüfte, die Schultern oder die Arme schwingen sollte. Die Schwingungen pflanzten sich in ihr fort und fühlten sich natürlich an, so als habe sie noch nie etwas anderes gemacht. Und es war, als würde sie sich von irgendetwas befreien.
»Ja, super, und jetzt zusammen mit euren Partnern. Versucht es!«, rief der Tänzer.
Lorena spürte Jasons Hand in ihrem Rücken. Mit der anderen griff er nach ihrer Rechten. Sie konnte die Bewegungen seines Körpers fühlen, und es kam ihr ganz natürlich vor, dass der ihre sie aufnahm und miteinander verband.
»Ich wusste doch, dass du das kannst«, sagte Jason und strahlte sie an. »Du musst nicht immer dein Licht unter den Scheffel stellen. Du bist eine großartige Tänzerin. Du hast Gefühl für die Musik und den Rhythmus.«
Lorena antwortete nicht, doch sie merkte, wie ihr eigenes Lächeln sich von ihren Lippen aus über ihren ganzen Körper ausbreitete, bis sie auf wundersame Weise zu strahlen schien. So lebendig hatte sie sich in ihrer eigenen Gestalt noch nie gefühlt. Fast schien es ihr, als leuchtete selbst die Schönheit des Nachtmahrs aus ihr heraus.
Nachdem die meisten die Grundbewegung so weit verstanden hatten, zeigten Diego und Maria Isabel noch einige Figuren, mit denen sie den Tanz abwechslungsreicher gestalten konnten.
»Das sind nur Vorschläge, die eure Fantasie anregen sollen«, sagte Diego. »Männer, lasst euch inspirieren und scheut euch nicht, ein wenig zu experimentieren. Und ihr Ladys, lasst ihn machen! Egal, was ihr dort draußen tut, hier auf der Tanzfläche hat der Mann das Sagen. Begebt euch in seine Hände und lasst euch führen!«
Ein paar der Frauen protestierten im Spaß, zwei junge Mädchen kicherten. Lorena dagegen spürte, wie sie sich bei diesen Worten wohlfühlte. Und nicht nur bei den Worten! Die Musik beherrschte wieder den Raum, und sie versuchte, sich in Jason hineinzufühlen und – ohne über die Figuren nachzudenken – ihren Körper das widerspiegeln zu lassen, was der seine anstieß. Sie war sein Spiegel.
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