Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
hätte er auch denselben, viel kürzeren Weg nehmen können, über den er das Mädchen ins Feld getragen hat«, beharrte Lisa.
»Da hat sie recht«, meinte Judith Brunner. »Ich denke auch, der Täter wandte sich nach der Tat in Richtung Engersen.«
»Dann sollten wir dort die Suche nach ihm intensivieren«, schloss sich Dr. Grede der Überlegung seiner Vorgesetzten an. Mit so etwas hatte er keinerlei Problem.
»Das wird schon gemacht.« Judith Brunner berichtete von den Aktivitäten der Bereitschaftspolizei und der Ausdehnung der Befragung auf alle Nachbarorte Engersens sowie von Dreyers und Grambows Hinweisen. »Ich erwarte bald Anrufe mit ersten Ergebnissen. Morgen arbeiten wir selbstverständlich verstärkt in Engersen weiter, aber ohne die anderen Dörfer aus dem Blick zu verlieren.«
Dr. Grede nickte überzeugt und nahm wieder das Wort: »Wenn ich mir diese Fotos genau ansehe, könnte vorne an der Straße, wo die Tüte mit den Kräutern gefunden wurde, ein Kampf stattgefunden haben. Die Grasnarbe ist deutlich heruntergetreten. Dann hat er das Mädchen bis zum Feldweg getragen, wobei das Sammelheft, wahrscheinlich vom Täter unbemerkt, herunterfiel. Da er einen anderen Weg vom Tatort weg nahm, konnte es ihm nicht mehr auffallen.«
»Das würde dafür sprechen, dass wir nach einem extrem starken Mann suchen. Immerhin hat er Ilona Eichner über fünfzig Meter von der Straße bis ins Feld geschleppt, um sie dort zu missbrauchen. Und das Getreide bot ihm ausreichenden Sichtschutz.« Lisa war sich sicher.
Ritter war von ihren Schlüssen nicht überzeugt. »Na, so hoch wächst Roggen nun auch wieder nicht. Außerdem hätte er sie auch unmittelbar am Kampfplatz ins Getreide zerren können. Ich denke, er wollte sie ursprünglich über den Feldweg bis in den Wald schleppen. Aber schon bald verließen ihn seine Kräfte. Also ich glaube nicht, dass wir jemanden mit außergewöhnlicher Stärke suchen. Eher das Gegenteil, aber so etwas klappt sowieso nur unter der Voraussetzung, dass sie sich nicht mehr wehren konnte, also bereits ruhig gestellt wurde. Das Mädchen war bestimmt zu keiner Gegenwehr mehr fähig, ohne Bewusstsein oder bereits tot.«
Judith Brunner wiegte den Kopf. »Sie hatte abgerissene Kornhalme in ihrer Faust. Sie hat also noch gelebt, als sie auf den Feldboden gelegt wurde. Genaueres erfahren wir sicher nach der Obduktion. Dr. Renz wird die Nacht durcharbeiten und ich bin gleich am Morgen mit ihm verabredet.«
Das war eine nahtlose Überleitung vom Tatort hin zum Opfer. Ritter war froh, jetzt abgeben zu können.
Judith Brunner übernahm es, die anderen zur Leiche zu informieren. Betont sachlich schilderte sie: »Das Mädchen lag auf dem Rücken. Ihr Rumpf war vom Bauchnabel ab frei. Die Kleidung war bei der Tatausführung mit Gewalt beschädigt worden. Der zerrissene Schlüpfer hing am linken Fuß; eine blutige Monatsbinde war zu sehen. Die äußeren Geschlechtsteile waren schwach behaart. Aus der Scheide ragte ein Stück Gummischlauch, vielleicht fünfzehn, zwanzig Zentimeter lang.«
»Wir haben auch dazu schon die Fotos fertig«, ergänzte Ritter und verteilte die Abzüge auf dem Tisch. Die Detailaufnahmen, die unmittelbar nach dem Fund der Leiche von der Spurensicherung gemacht worden waren, ließen keinen Raum für eine emotionale Schonung. Schweigend besahen die Ermittler sich die Bilder.
Lisa bemerkte dann: »Der Schlauch in ihrer Scheide ist natürlich ein auffälliges Tatmerkmal.«
»Und Täterwissen. Das behalten wir weitgehend erst einmal für uns«, wies Judith Brunner alle an und fasste zusammen: »Nun können wir uns zumindest auf Folgendes einigen: Um 16:00 Uhr herum beobachtet der Täter die Schülerin Ilona Eichner beim Blumenpflücken am Rand der alten Landstraße zwischen Engersen und Waldau. Er näherte sich dem Mädchen. Bestimmt würgte er sie, um sie am Schreien zu hindern. Dann hebt er sie hoch und trägt sie in das Feld, da er davon ausgeht, hier von der Straße aus nicht gesehen zu werden, wenigstens nicht bei der von ihm geplanten Vergewaltigung.«
Alle überlegten.
»Mehr scheint die Spurenlage bis jetzt nicht herzugeben«, schloss Judith Brunner damit ab.
»Hat das alles mit Ihrem seltsamen Hundefall von gestern zu tun? Dem Tier war doch ein Schwanz eingeführt worden«, wollte Lisa Lenz wissen. Sie hatte die entsprechenden Berichte gelesen und schlug in ihren Unterlagen etwas nach. Währenddessen ergänzte sie lakonisch: »Ein Schwanz im Bauch lässt doch wohl
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