Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
gründlich. Grambow und ich haben auch schon einige mögliche Zeugen aufgetan.« Er erzählte ihr von den drei Radfahrern. »Nach Jemmeritz könnte ich gleich los und den Jungen befragen. Das dauert nicht lange und mein Büro ist inzwischen besetzt. Auch Grambow hat schon jemanden im Auge, der als einer der Radfahrer in Betracht käme. Die Kollegen in den anderen Dörfern«, und dabei zwinkerte er seinem Bereitschaftspolizisten freundlich zu, »können bald erste Ergebnisse ihrer Befragungen vorweisen. Bestimmt ist was dabei, das uns weiterhilft. Ich melde mich wieder, wenn ich aus Jemmeritz zurück bin«, schloss er mit fester Stimme.
Judith war für jeden Hoffnungsschimmer dankbar.
~ 20 ~
Die Stimmung war gedrückt. Dennoch herrschte eine rastlose Emsigkeit, als sich die Ermittlungsgruppe am frühen Abend zur ersten Auswertung in der Kreisdienststelle traf. Lisa Lenz hatte den großen Besprechungsraum wieder zur Ermittlungszentrale umfunktioniert. Die junge Frau war Judith Brunners Büroleiterin, Assistentin und engste Mitarbeiterin. Außerdem hatte sie eine Menge Talente, die für Polizeiarbeit außerordentlich wertvoll waren: Lisa stellte die richtigen Fragen, ihr machten Routineaufgaben nichts aus und sie hatte Ausdauer.
Thomas Ritter eröffnete die Diskussion, nachdem er einige großformatige Abzüge vom Ort des Verbrechens auf dem Besprechungstisch verteilt hatte: »Mit dem Zimmer von dem Mädchen sind wir noch nicht fertig, dazu kann ich euch nichts sagen, meine Leute sind noch vor Ort. Aber hier, passt auf.« Er ging zu einer großen magnetischen Wandtafel, auf der er einen Lageplan skizziert hatte und erläuterte: »Der Fundort von Ilona Eichner befindet sich in einem Getreidefeld zwischen den Dörfern Waldau und Engersen. Folgt man der schmalen Landstraße von Engersen in Richtung Waldau, dann stößt man circa 750 Meter nach den letzten Häusern rechter Hand auf einen kleinen Feldweg, der zwei Roggenschläge trennt. Ungefähr 10 Meter in den Weg hinein und dann nur noch wenige Schritte ins Korn. Genau hier!« Mit einem lauten Knall befestigte er einen großen Magneten und führte weiter aus: »Nur noch zur Information: Nicht einmal 200 Meter weiter kreuzt die F 71 die alte Dorfverbindung. Der Fundort ist von den Straßen und selbst vom Feldweg aus nicht direkt einsehbar, konnte aber durch die niedergetretenen Halme leicht entdeckt werden.«
»Also hat der Täter sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie sonderlich gut zu verstecken«, schlussfolgerte Dr. Grede, der nun erstmals mit konkreten Einzelheiten des Verbrechens konfrontiert wurde. Er hatte eine Tochter, die etwas jünger als Ilona Eichner war. Würde es ihm gelingen, sie immer zu beschützen? Vor Gewalt zu bewahren? Es fiel ihm unglaublich schwer, diese Gedanken zu verdrängen.
»Richtig«, fuhr Ritter fort. »Die Trampelspur vom Weg zum Fundort ist maximal zehn Meter lang. Das Mädchen wog nicht viel. Der Täter trug sie dorthin. Ich denke, der Fundort war auch der Tatort. Das Getreide ist im Umkreis von zwei Metern plattgetreten. Einen Fußabdruck haben wir dort nicht sichern können. Vom Kornkreis weg führte eine weitere Trampelspur zum nächsten, parallel verlaufenden Feldweg. Höchstwahrscheinlich nahm der Täter diesen Weg nach der Tat und dann wieder zur Pflasterstraße zurück. Seine Schuhabdrücke auf dem Feldweg waren die einzigen frischen Spuren, aber weit haben wir die Spur nicht verfolgen können.« Er heftete die Vergrößerung einer Fotografie an die Tafel, die sein Kollege vom Dach ihres Gerätewagens aus gemacht hatte. »So sieht das ganze von oben aus.« Mit Pfeilen kennzeichnete er gleiche Positionen auf der Skizze und dem Foto.
Dieser Darstellung ließ sich gut folgen. Es gab keinen Klärungsbedarf. Ritter machte weiter. »Wir haben weder an der hinführenden noch an der Ausgangsspur etwas gefunden, das dem Täter zuzuordnen wäre. Allerdings auffällig ist seine Schuhgröße 42. Nicht besonders groß für einen Mann.« Er ging selbstverständlich davon aus, nach einem männlichen Täter zu suchen.
Judith Brunner sah keinen Grund, das zu korrigieren. Sexualmorde durch Frauen kamen äußerst selten vor.
»Der Fluchtweg des Täters führt also in Richtung Engersen?«, vermutete Lisa Lenz.
Hans Grede wiegte bedächtig den Kopf: »Na, das ist vielleicht etwas zu gewagt. Der Täter ist so nur zur alten Landstraße zurückgegangen. Welchen Weg er dann genommen hat, ist völlig offen.«
»Glaub ich nicht. Da
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