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Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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hieb ihm auf den Rücken.
    »Weinzirl, oide Haut, Sie machen ja wieder Sachen.
Wenn Sie so weitermachen, geht das schnell mit der Pension. Mir wär’s lieber,
Sie würden sich da noch gedulden.« Evi küsste er die Hand. »Sie werden immer
schöner, meine Liebe.«
    Baier musste Kreide gefressen haben, eine Gehirnwäsche
oder Schlimmeres hinter sich haben. War das der alte Grantler?
    Mit seinem untrüglichen Gespür und seiner Gabe,
Gedanken zu lesen, meinte Baier: »Weinzirl, ich bin völlig normal. Hatte echt
Bedenken, mir würde langweilig. Ich würde verblöden. Aber mir ging es nie so
gut wie jetzt. War gerade zwei Monate mit meiner Frau auf Kuba, habe eine
Dozentenstelle an der Polizeihochschule. Und Sie werden es nicht glauben: Meine
Frau hat ihren ganzen Eso-Freunden und ihren Persönlichkeitsbildnern entsagt,
und das glauben Sie jetzt nicht.« Er machte eine Pause. »Nix für ungut, Frau
Straßgütl, aber meine Frau isst neuerdings Steaks und Putenspieße vom Grill.
Zwar bloß von Bioland-Höfen, aber das ist ja recht so.«
    Frau Baier, immer zwischen Eso und Öko, immer zwischen
Veganern und Buddhisten, umweht von Gebetsfahnen. Das war ein kleines Wunder.
Und ein Lichtblick: Die Ehe der Baiers hatte wahrlich am seidenen Faden
gehangen, und nun hatten sie sich doch wiedergefunden. Gerhard war fast so was
wie gerührt, wahrscheinlich lag das an seiner etwas labilen Konstitution, so
oft verbrachte man die eiskalte Nacht ja nicht im Gipsbett.
    »Ich dachte erst, er wollte Weinling einen Mord an mir
anhängen«, erklärte Gerhard Baier und erläuterte auch, wen er mit »er« meinte.
    Baier runzelte nur die Stirn, auch als Evi erzählte,
dass sie noch nie solches Unbehagen verspürt hätte wie in jenen Momenten, als
sie neben Friedl gesessen hatte. Sie fasste für Baier die ganze Geschichte
zusammen, berichtete auch von Gretschmann und wie Friedl den ins Messer hatte
laufen lassen.
    »Er ist ein gnadenloser Jäger, ja, das stimmt. Aber er
wollte mich gar nicht umbringen, nicht erlegen. Er wollte mich quälen.« Gerhard
sagte das mit leiser Verwunderung in der Stimme. Nein, das hatten die
Attentäter wohl wirklich nicht gewollt, das war nicht ihr Auftrag gewesen.
Sonst wäre auch kaum der Anruf eingegangen, und zudem hätten die dann nicht
Gips gewählt. Sie hätten Beton nehmen können, der natürlich viel schwerer war,
oder Magerbeton, der in fünf Stunden ausgehärtet wäre. Nein, sie hatten
sozusagen die Bastlerversion Gips gewählt. Das alles hatte Evi recherchiert,
das lag klar auf der Hand.
    »Diese Inszenierung war wieder nur großes Kino. Anders
als bei seinem bedauernswerten Watschmandl Gretschmann hat er sich bei mir
wenigstens in Unkosten gestürzt und Auftragskiller angeheuert.«
    Baier stimmte ihm da durchaus zu. »Wir leben in einer
Welt, wo Sie über Internet Mörder buchen können. Recht günstig sogar.
Zehntausend Euro, um ein Leben auszulöschen. Keine Werte, keine Moral, keine
Instanz mehr, die zur Menschlichkeit aufruft. Tote Herzen. Herzen, die sich
müde gerungen haben. Keine Zukunft. Menschen, die aus einem Schattenreich
kommen und dorthin zurückhuschen. Wie Schemen. Solche Auftragskiller finden wir
nicht. Wir können keine Zusammenhänge herstellen zwischen Auftraggeber und
Ausführendem. Es ist die Anonymität, an der wir scheitern. So ungern ich das
sage: Beweisen werden Sie das nie, Weinzirl.«
    Gerhard sah Baier überrascht an. Er hatte immer
gewusst, wie klug dieser Man war, wie rein seine Seele unter der rauen Schale.
Heute aber war er stolz, den Mann zum Freund zu haben. Das war ein Trost, eine
neue Sonne, denn Gerhard wusste, dass Baier recht hatte. Friedl war nicht
beizukommen. Nicht diesmal. Nicht dafür. Leider, verdammt noch mal: Baier hatte
recht.
    Als er sich etwas erholt hatte, wälzte sich ein Strom
von Besuchern herein. Jo, Kassandra, Felix, Melanie, Gerhards Eltern – und das
war sozusagen nur die geschlossene Gesellschaft, denn es gaben sich hier auch
noch viele andere die Klinke in die Hand: Hajo, Sarah, Toni, Dionysos’
Stammgäste – das Blumenmeer hätte einer mittelgroßen Gärtnerei zur Ehre
gereicht, und mit all den Pralinen würde er binnen einer Woche wahrscheinlich
zehn Kilo zunehmen. Irgendein ganz hohes Polizeitier aus München war sogar
gekommen und der Bundestagsabgeordnete Alexander Dobrindt, den er angesichts
eines Berufsstandes, von dem er sonst sehr wenig hielt, als sehr angenehm,
integer und kompetent empfunden hatte. Hoffentlich wurde ihm genau

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