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Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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ein Treffen anberaumt, und bevor wir aus dem Haus gingen, drängte ich meinen Vater, sich etwas anderes anzu ziehen. Er hatte unseren Carport erweitert und trug khakifarbene Shorts, die voller Farbkleckse und getrockneter Betonspritzer waren. Durch ein Loch in seinem verwaschenen T-Shirt konnte man ohne große Verrenkungen seine Brustwarze sehen.
    »Was zum Teufel passt dir daran nicht?«, fragte er. »Wir bleiben nicht zum Abendessen, wen kümmert es da, was ich anhabe?«
    Ich brüllte nach meiner Mutter, und zuletzt ließ er sich erweichen, zumindest ein anderes Hemd anzuziehen.
    Von au ßen unterschied sich Thads Haus nicht groß von den Häusern an derer Leute – ein ganz normales Haus mit Halbetage und einem nach Ansicht meines Vaters gänzlich Indiskutablen Carport. Mr. Pope öffnete die Tür in sorbetfarbenen Golfhosen und führte uns die Treppe hinunter in den so genannten »Hobbykeller«.
    »Oh«, sagte ich, »schön haben Sie es hier«.
    Der Raum war klamm und fensterlos. An der Decke hingen Tiffany-Lampen , deren bunte Glassplitter die Wörter Busch und Budweiser buchstabierten. Die Wände waren mit Walnussimitat verkleidet, und das Mobiliar sah aus, als hätten Pioniere mit der Axt versucht, aus den Einzelteilen ihres geliebten Planwagens Sessel und Couchtische zu zimmern. Dann bemerkte mein Vater das Paddel einer Studentenverbindung über dem Fernseher an der Wand und sagte in gebrochenem Griechisch: »Kalispera sas adhelfos!«
    Als Mr. Pope ihn nur verständnislos anstarrte, lachte er und schickte die Übersetzung hinterher: »Ich sagte: ›Guten Abend, Bruder.‹«
    »Ach... richtig«, sagte Mr. Pope »Studentenverbindungen haben meist griechische Namen.«
    Er dirigierte uns zum Sofa und fragte, ob wir etwas trinken wollten. Cola? Ein Bier? Ich wollte mich nicht an Thads wertvollen Colavorräten vergreifen, aber noch ehe ich ablehnen konnte, erwiderte mein Vater: »Aber ja doch, wir nehmen von jedem eins« Die Bestellung wurde nach oben weitergeleitet, und kurz darauf erschien Mrs. Pope mit Dosen und Plastikbechern auf der Treppe.
    »Guten Tag, schöne Frau«, sagte mein Vater. Es war sein Standardspruch bei attraktiven Frauen, aber in dem Fall war klar, dass es als Scherz gemeint war. Mrs Pope war nicht unattraktiv, sondern ganz normaler Durchschnitt, und als sie die Getränke vor uns auf den Tisch stellte, bemerkte ich, dass ihr Sohn ihre stumpfe, leicht nach oben weisende Nase geerbt hatte, was ihm gut stand, bei ihr allerdings den Eindruck von Misstrauen und Selbstgerechtigkeit erweckte.
    »So«, sagte sie. »Ich habe gehört, Sie waren beim Zahnarzt.« Sie wollte lediglich Smalltalk machen, aber wegen ihrer Nase klang es wie ein Vor wurf, als hätte ich mir ein Loch im Zahn füllen lassen und suchte nun nach jemandem, der die Rechnung bezahlte.
    »Und ob er beim Zahnarzt war«, sagte mein Vater. »Wenn man einen Stein ins Gesicht geworfen bekommt, geht jeder vernünftige Mensch meines Erachtens nach zuerst zum Zahnarzt.«
    Mr. Pope hob abwehrend die Hände in die Luft. »Augenblick«, sagte er. »Wir können das in aller Ruhe regeln.« Er rief laut den Namen seines Soh nes, und als keine Reaktion erfolgte, griff er zum Telefon und wies Thad an, nicht weiter große Reden zu schwingen und seinen Allerwertesten in den Hobbykeller zu schieben, und zwar dalli.
    Man hörte flinke Schritte auf den mit Teppich bezogenen Stufen, dann sprang Thad ins Zimmer, ganz der brave und folgsame Sohn. Der Minister hatte gerufen Es wurde neu verhandelt. »Guten Tag, Sir, Sie sind... ?«
    Er sah meinem Vater in die Augen und drückte ihm fest und mit einem genauen Gespür für das richtige Timing die Hand. Meist ist ein Händedruck nur ein verlegenes Nuscheln, Thads Handschlag aber verkündete laut und deutlich die Botschaft Das haben wir gleich erledigt und Ich rechne bei der Wahl im November mit Ihrer Stimme.
    Ich hatte geglaubt, ihn außerhalb der Clique zu sehen wäre verstörend, als fände man einen Arm auf dem Gehweg, aber Thad konnte problemlos allein auftreten. Man brauchte ihn nur in Aktion zu sehen, um zu begreifen, dass seine Popularität kein Zufall war. Anders als normale Menschen, besaß er die unheimliche Gabe, den Leuten zu gefallen. Und zwar ohne sich einzuschmeicheln oder sich krampfhaft zu bemühen, anderen nach dem Mund zu reden. Wie bei einer Whitman-Anthologie schien er von allem etwas zu bieten. Hatte man seine athletischen Fähigkeiten bewundert, konnte man sich an seinen ausgezeichneten

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