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Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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kommenden Woche verschob ich es und danach wieder und wieder, bis es irgendwann zu spät war.
    Ein paar Monate nach meinen Ferien in Griechenland besuchten meine Mutter, ihre Schwester und ihr homosexueller Cousin Tante Monie zu Hause in Gates Mills. Ich hatte von diesem Cousin geh ört, Positives von meiner Mutter, Abfälliges von meinem Vater, der besonders eine Geschichte immer wieder gerne erzählte. »Wir waren mit ein paar Leuten in South Caro lina. Ich, deine Mutter, Joyce und Dick und dieser Cousin, dieser Philip, ja. Wir waren im Meer schwimmen und...« An dieser Stelle prustete er immer los. »Also, wir waren schwimmen, und als wir zurück im Hotel sind, klopft Philip an die Tür und fragt, es ist nicht zu fassen, fragt tatsächlich, ob er von deiner Mutter den Föhn leihen kann.« Das war’s. Ende der Geschichte. Er hatte ihn sich nicht hinten reingeschoben oder sonst was damit angestellt, sondern ihn bloß auf die gebräuchliche Art benutzt, aber trotzdem kam mein Vater einfach nicht drüber weg. »Ich meine, einen Föhn! Das muss man sich nur mal vorstellen!«
    Ich war fasziniert von Philip, der irgendwo im Mittleren Westen eine Collegebibliothek leitete. »Er hat viel von dir«, sagte meine Mutter. »Eine Leseratte. Hat seine Nase ständig in Büchern.« Ich war ganz bestimmt keine Leseratte, hatte es aber geschafft, diesen Eindruck bei ihr zu erzeugen. Wenn ich gefragt wurde, was ich den ganzen Nachmittag über getrieben hatte, sagte ich nie: »Ach, masturbiert«, oder: »Mir vorgestellt, wie es aussähe, wenn ich mein Zimmer scharlachrot streichen würde.« Stattdessen sagte ich, ich hätte gelesen, und sie kaufte es mir jedes Mal ab. Sie wollte nie wissen, wie das Buch hieß oder woher ich es hatte, sondern sagte immer nur: »Na, fein.«
    Weil sie nicht weit voneinander entfernt lebten, sahen Philip und Tante Monie sich häufig. Gelegentlich gingen sie auch gemeinsam auf Reisen, mal zu zweit, mal in Begleitung von Philips Freund, ein Wort, das meine Mutter stets in Anführungszeichen gebrauchte, nicht aus Böswilligkeit, sondern als Hinweis, dass der Ausdruck mehr als eine Bedeutung hatte und dass die zweite Bedeutung weit interessanter war als die erste. »Sie haben ein entzückendes Haus«, sagte meine Mutter. »Es liegt an einem See, und sie überlegen, sich ein Boot anzuschaffen.«
    »Das kann ich mir denken«, sagte mein Vater, und dann kam wieder einmal die Geschichte mit dem Föhn. »Das muss man sich nur mal vorstellen! Ein Mann, der sich die Haare föhnen will.«
    Philip und Tante Monie teilten eine Vorliebe f ür gehobene Genüsse: Sin fonien, die Oper, klare Suppen. Ihre Beziehung war die von kinderlosen, kultivierten Erwachsenen, die einen Satz zu Ende bringen konnten, ohne dass ihnen jemand mit einem Ausflug zum Kwik Pik oder einem Vorschuss auf das Taschengeld für das kommende Jahr in den Ohren lag. Ich konnte meine Mutter schwerlich schief ansehen, weil sie Kinder hatte, aber ich wünschte mir, sie hätte nur eins, mich, und wir würden außerhalb von Cleveland wohnen. Wir mussten uns beliebt machen und bereitstehen, wenn es mit Tante Monie zu Ende ginge, was, wie ich mir vorstellte, jeden Tag sein konnte. Tante Joyce flog mittlerweile dreimal im Jahr nach Ohio und unter richtete meine Mutter am Telefon über den Stand der Dinge. Sie berichtete, dass sie immer schlechter auf den Beinen sei, dass Hank im Haus eins von diesen Geräten eingebaut habe, mit dem man sitzend die Treppe rauf- und runtergefahren wurde, und dass Mildred, so musste man das wohl sagen, geistig zerrüttet sei.
    Als Tante Monie kein ganzes Lammkotelett mehr essen konnte, traf meine Mutter Vorkehrungen f ür einen persönlichen Besuch. Ich war davon ausgegangen, sie würde ihre Schwester oder den homosexuellen Philip mitnehmen, doch stattdessen durften Lisa und ich mit. Wir fuhren über ein verlängertes Wochenende Mitte Oktober. Tante Monies Fahrer wartete am Gepäckkarussell auf uns und begleitete uns nach draußen, wo der Cadillac wartete. »Oh, bitte«, sagte meine Mutter, als er sie nach hinten auf den Rücksitz bugsieren wollte. »Ich sitze vorne, und kein Wort mehr darüber.«
    Hank machte Anstalten, ihr die Tür zu öffnen, aber sie war schneller. »Und schenken Sie sich Ihr ›Mrs. Sedaris‹. Ich heiße Sharon, kapiert?« Sie gehörte zu der Sorte von Menschen, die mit jedem ins Gespräch kommen, nicht in einer der Situation angemessenen klaren und zielgerichteten Art, sondern allgemeiner, zwangloser.

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