Nachtprogramm
reingezogen, und jetzt gibt es kein Zurück. Sie braucht nur zur Polizei zu gehen und zu sagen, du hättest sie belästigt. Willst du das? Ein kurzer Anruf, und dein Leben ist ruiniert.«
»Aber ich habe überhaupt nichts gemacht. Vergiss nicht, ich bin schwul.«
»Das wird dich auch nicht retten«, sagte sie. »Wem, meinst du, werden sie wohl glauben, wenn es hart auf hart kommt, einem neunjährigen Mädchen oder einem erwachsenen Mann, der sich daran hochzieht, kleine Monster aus Balsaholz zu schnitzen?«
»Das sind keine kleinen Monster!«, brüllte ich. »Das sind Werkzeugmännchen!«
»Wo ist da der große Unterschied? In den Augen der Richter bist du ein Geistesgestörter mit einem Messer, der im Pfannkuchenhaus rumlungert und eine verdammte Stoppuhr anstarrt. Steck dieses Mädchen in etwas anderes als ein Röhrentop, schick sie in den Zeugenstand und lass sie sich die Augen ausheulen – was glaubst du, was passiert? Und wenn dann noch die Mutter aufläuft und ihre Show abzieht, hast du ein Strafverfahren und eine Zivilklage am Hals.«
»Du siehst zu viel fern.«
»Weniger als die«, sagte sie, »das garantier ich dir. Glaubst du, diese Leute könnten das Geld nicht riechen?«
»Aber ich hab keins.«
»Die sind auch nicht hinter deinem Geld her«, sagte sie, »sondern hinter meinem.«
»Du meinst Dads!« Ich hatte ihr die Sache mit den »kleinen Monstern« nicht verziehen und wollte ihr wehtun, aber es funktionierte nicht.
»Ich meine unser Geld«, sagte sie. »Denk nicht, ich wüsste nicht, wie so was läuft. Ich bin nicht als gemachte Frau mit einer hübschen Handtasche und einem anständigen Paar Schuhe zur Welt gekommen. Mein Gott, was du alles nicht weißt. Mein Gott.«
Meine neue Wohnung lag acht Häuserblocks entfernt, direkt gegenüber der ersten episkopalen Kirche unserer Stadt. Meine Mutter bezahlte die Kaution und die erste Monatsmiete und kam mit ihrem Pritschenwagen, um mir beim Einpacken und beim Transport zu helfen. Als sie mit einer Kiste meiner federleichten Balsaholzskulpturen über den Flur ging, die Haare un ter einem bunten Tuch versteckt, fragte ich mich, was Brandi, die uns garantiert durchs Schlüsselloch beobachtete, von ihr denken mochte. Was würde sie in ihr sehen? Das Wort Mutter kam nicht infrage, da ich nicht glaube, dass sie dessen Bedeutung wirklich verstand. Eine Person, die einen auf seinem Weg behütet und einem in der Not zu Hilfe kommt – wie würde sie so etwas nennen? Eine Königin? Eine Stütze? Eine Lehrerin?
Ich hörte ein Geräusch hinter der Tür und dann eine leise Mottenstimme. »Miststück«, flüsterte Brandi.
Ich huschte zurück in die Wohnung, aber meine Mutter blieb nicht einmal stehen. »Mädchen«, sagte sie, »du solltest mich erst einmal richtig kennen lernen.«
Blutsbande
Viele Jahre lang reinigte ich Apartments in New York, was kein schlechter Weg ist, sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Mein Boss leitete eine kleine Agentur und vermittelte Putzkräfte für fünfzehn Dollar die Stunde, von denen fünf Dollar an ihn und zehn an den Angestellten gingen. Alleine konnte man mehr verdienen, aber mir war es lieber, einen Vermittler zu haben, der sich um die Dienstpläne kümmerte und gelegentlich den Kopf hin hielt. Ging etwas kaputt, sorgte der Boss für Ersatz, und wurde etwas ge stohlen oder behauptet, einer der Angestellten habe gestohlen, trat der Boss zu unserer Verteidigung an. Abgesehen von der Praxis eines Chiroprakti kers putzte ich ausschließlich in Privatwohnungen, Apartments oder Lofts, entweder einmal die Woche oder auch alle zwei Wochen. Die Besitzer waren meistens bei der Arbeit, und wenn sie doch einmal zu Hause waren, versuchten sie sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, als wäre es meine Wohnung und sie nur die Gäste.
Einer meiner Kunden war Mitte sechzig und arbeitete als Gutachter bei einer Versicherung. Ich sah ihn das erste Mal, nachdem ich bereits seit über einem Jahr seine Wohnung putzte und er sich zu Hause von einer Operation erholte. Er hatte irgendwas mit dem Herzen und kam zu mir, als ich gerade den Kühlschrank auswischte. »Ich will Sie nicht belästigen«, sagte er, »a ber ich möchte mich etwas hinlegen. Ich habe mir den Wecker gestellt, aber sollte ich aus irgendeinem Grund nicht wach werden, könnten Sie dies in meinen After einführen?« Er reichte mir einen Plastikhandschuh und ein durchsichtiges Zäpfchen mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
»Wenn Sie bis wann nicht wach
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