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Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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drehte meinen Teller um.
    Nachdem Anne und Hugh ihr Gespräch wieder aufgenommen hatten, dachte ich an die vielen Kuchenstücke, die ich im Laufe meines Lebens gegessen hatte, und überlegte, was alles anders sein könnte, wenn ich mir bei den Spitzen immer etwas gewünscht hätte. Zuerst einmal würde ich nicht im Apple Pan sitzen, so viel war sicher. Hätte ich meinen Wunsch mit acht Jahren erfüllt bekommen, würde ich immer noch Mumien in Ägypten jagen, sie aus ihren Gräbern locken und in große eiserne Käfige einsperren. Alle nachfolgenden Wünsche hätten mit diesem einmal eingeschlagenen Weg zu tun: ein Paar neue Stiefel, eine bessere Peitsche, ein größeres Verständnis der Mumiensprache. Das Problem bei Wünschen ist, dass man immer der Angeschmierte ist. Im Märchen sorgen sie für nichts als Ärger und vermehren nur die Selbstsucht und Eitelkeit desjenigen, dem sie gewährt werden. Die beste Wahl – und das ist die Moral aller Wunschgeschichten – ist es, selbstlos zu sein und anderen etwas zu erfüllen, im Ver trauen darauf, durch das Glück der anderen selbst glücklich zu werden. Das ist der größte Sieg.
    Seit unserer Ankunft war es im Apple Pan laufend voller geworden. Mittlerweile waren alle Plätze besetzt, und einige Leute lehnten an der Wand und blickten reihum, um festzustellen, wer jetzt besser zahlen und gehen sollte. Ein Blick in die Runde sagte mir, dass wir die wahrscheinlichsten Kandidaten waren. Der Mann mit der Papiermütze hatte unsere Hamburgerverpackungen weggeräumt, und an unserem Platz stand nur noch ein einziger Teller mit der Spitze meines Kuchenstücks. Ich wünschte mir, die Leute an der Wand würden uns nicht so anstarren, um es ganz schnell zurückzunehmen, aber es war zu spät.
    »Ich glaube, wir sollten gehen«, sagte Hugh, und er und Anne zückten beide ihr Portemonnaie. Es gab eine kleinere Auseinandersetzung, wer zah len durfte – »Ich habe euch eingeladen«, »Nein, ich« –, an der ich mich nicht beteiligte, weil ich mir ausmalte, was hätte sein können, wenn ich meinen Wunsch nicht so leichtfertig vergeudet hätte. Ein Labor mit langen Reihen hochempfindlicher Messgeräte Männer in weißen Kitteln, die sich bebend vor Staunen und Erwartung vorbeugen und einer kaum vernehmba ren Stimme lauschen: »Also, jetzt, wo ich drüber nachdenke«, sagt der Wurm, »da war tatsächlich etwas Verdächtiges.«

K üken im Hühnerstall
    Es war eins dieser Hotels ohne Zimmerservice, über das man sich nicht weiter aufregt, wenn man selbst die Rechnung zahlt, aber sich beschwert, wenn ein anderer die Kosten übernimmt. Ich zahlte nicht selbst, wodurch alle Mängel gleich doppelt auffielen und mir als Beweis für die Gleichgültigkeit meines Gastgebers dienten. Statt einer Badewanne gab es nur eine Duschkabine aus Plastik, und die Seife war hart und roch nach Spülmaschinenentkalker. In der Nachttischlampe fehlte die Glühbirne, obwohl das noch am einfachsten zu beheben gewesen wäre Ich hätte nur an der Rezep tion nach einer Birne fragen müssen, aber ich wollte keine. Ich wollte mich einfach nur angepisst fühlen.
    Es hatte damit angefangen, dass am Flughafen mein Gepäck verloren gegangen war und ich erst einmal mehrere Formulare ausfüllen musste. Das kostete so viel Zeit, dass ich direkt vom Flughafen zu einem College etwa eine Stunde nördlich von Manchester fahren musste, wo ich einen Vortrag vor Studenten hielt. Anschließend gab es noch einen Empfang und dann eine Dreiviertelstunde Fahrt zum Hotel, das irgendwo in der tiefsten Pampa lag. Ich kam um ein Uhr nachts an und stellte fest, dass sie mir ein Zimmer im Souterrain gegeben hatten. Mitten in der Nacht war das egal, aber am nächsten Morgen nicht. Zog man die Vorhänge beiseite, kam man sich vor wie auf einer Theaterbühne, und die Einwohner von New Hampshire gafften ohne jede Spur von Scham. Es gab nicht viel zu sehen, nur wie ich mit einem Telefon am Ohr auf der Bettkante saß. Die Fluggesellschaft hatte geschworen, ich hätte meinen Koffer am nächsten Morgen, doch da dem nicht so war, wählte ich die 800-Nummer innen auf dem Um schlag meines Flugtickets. Ich hatte die Wahl, eine Nachricht zu hinterlassen oder darauf zu warten, mit einem Angestellten verbunden zu werden. Ich entschied mich für den Angestellten, doch nach acht Minuten in der Warteschleife legte ich auf und suchte nach jemandem, an dem ich meine Wut auslassen konnte.
    »Es ist mir egal, ob es mein Sohn, der Kongressabgeordnete meines Staates

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