Nachtruf (German Edition)
und eilte zur hinteren Tür des Fahrzeugs. Sie war blockiert. Mit der Faust hämmerte er ans Wagenfenster. „Können Sie mich hören? Wachen Sie auf!“
Irgendwo fand er einen großen Stein auf dem Boden. Schützend schirmte er seine Augen mit einer Hand ab, drehte den Kopf zur Seite und zertrümmerte mit dem Stein das Fenster. Dann griff er ins Innere.
„Er hat einen Puls, allerdings ist der sehr schwach“, sagte Trevor. Rain war an seine Seite geeilt. Sie packte ihn am Arm.
„Du kannst da nicht rein. Der andere Kerl hatte eine Waffe! Der Wagen kippt jeden Moment …“
„Geh zurück zu dem Mädchen, Rain. Vielleicht musst du sie wiederbeleben, wenn ihre Atmung aussetzt. Weißt du, wie man das macht?“
Sie nickte. In der Dunkelheit trafen sich ihre Blicke. Rain kehrte zu der Gestalt im Gras zurück. Die Frau war noch immer bewusstlos, aber ihre Brust hob und senkte sich. Rain beobachtete, wie Trevor durch die offene Vordertür in den Truck kletterte. Ein Schrei kroch ihre Kehle hinauf, als der Truck ächzte und sich bewegte wie ein wildes Tier, das langsam zum Leben erwachte.
Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, während er sich bemühte, den in der Fahrerkabine eingeschlossenen Mann zu befreien. Jedes Mal, wenn der Truck sich über dem Uferrand bewegte, stieß Rain ein Stoßgebet aus. Mit einem Mal ertönten in einiger Entfernung Sirenen. Endlich kam Hilfe.
Zu ihrer Erleichterung tauchte Trevor jetzt wieder aus der Fahrerkabine auf. Er zog den bewusstlosen Mann aus dem Truck. Schon zuckten die ersten roten Lichtstrahlen über denHimmel. Trevor hatte den Mann kaum in Sicherheit gebracht, als der Truck mit einem schrecklichen metallischen Knirschen am Beton der Uferbefestigung nachgab. Im nächsten Moment rutschte der Wagen vollends über die Uferkante. Einige Augenblicke später folgte ein donnerndes Platschen. Rain rannte zu Trevor, der neben dem Opfer kniete.
„Sie sind da!“, rief sie. Die ersten Sanitäter kamen schon mit einer Trage auf sie zugeeilt.
„Ich glaube, er hat aufgehört zu atmen.“ Trevor überstreckte den Kopf des Mannes, um die Luftröhre freizumachen. Der Mann war noch jung, wahrscheinlich im selben Alter wie die Frau. Trevor beugte sich über ihn und horchte auf seine Atemgeräusche.
„Wir übernehmen jetzt. Geht es Ihnen beiden gut?“, fragte ein Sanitäter, als er sich neben Trevor hockte.
„Uns geht es gut“, antwortete Rain.
„War da noch irgendjemand im Fahrzeug?“
„Sie sind alle draußen.“
Rain berührte Trevor an der Schulter. Er stand auf. Ein weiterer Sanitäter traf ein. Trevor beobachtete die beiden Männer, als sie mit der Wiederbelebung begannen.
„Ich bin ein Risiko eingegangen, als ich ihn bewegt habe.“ Trevor strich sich das Haar aus der Stirn. „Wenn die Wirbelsäule verletzt ist, könnte ich seinen Zustand verschlimmert haben.“
„Du hast das Richtige getan. Der Truck war kurz davor, hinunterzustürzen.“ Rain nahm seine Hand. Seine Finger schlossen sich um ihre. Sie drehte sich um und warf einen Blick auf die Frau, die ebenfalls versorgt wurde.
Im Kanal unter ihnen erschien ein Boot der Hafenpolizei. Das Licht des Suchscheinwerfers glitt über das Wasser und leuchtete einen Bereich des Kanals aus. Rain spähte in die Tiefe, wo das Fahrzeug schon vollständig versunken war. Angst durchfuhr sie, als ihr klar wurde, wie nahe Trevor davor gewesen war, im Truck vom Wasser eingeschlossen zu werden. Ganz fest drückte sie seine Hand.
Entlang der Straße standen mittlerweile Streifen- und Krankenwagen mit blinkenden Lichtern. Auch ein Übertragungswagen vom Fernsehen war eingetroffen. Eines der Crewmitglieder filmte mit einer Kamera auf der Schulter den Schauplatz.
„Hast du den Fahrer, der an dir vorbeigelaufen ist, richtig sehen können?“
„Gut genug, um ihn wiederzuerkennen“, erwiderte Rain. „Er war älter als die anderen beiden. Vielleicht Anfang dreißig. Er hatte eine Schnittwunde über dem rechten Auge. Daran könnte man ihn bestimmt identifizieren.“
Sie gingen zurück durch das Feld mit dem großblättrigen Kudzu. Ein Officer näherte sich ihnen, als sie die Überreste der Leitplanke erreichten. Trevor zeigte seine Dienstmarke und beschrieb den Unfall. Er erklärte, der Truck habe versucht, sie von der Straße zu drängen, als es zum Zusammenstoß gekommen sei. Der Fahrer sei bewaffnet gewesen und habe den Unfallort zu Fuß verlassen. Rain stand daneben und hörte zu. Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, wer den
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