Nachts im Zoo (Junge Liebe ) (German Edition)
tagsüber auf der Anlage. Doch jetzt stolzierten sie seelenruhig auf den Felsen herum und witterten ihre Pfleger mit großem Interesse.
Josh war ganz außer Atem, als er stoppte. Sein Blick schweifte über die Felsen, über das glatte Wasser, bis er schließlich den blutigen Körper entdeckte, der auf einem einzelnen Felsbrocken lag.
„Wir müssen ihn retten!", schrie Josh aufgebracht. Endlich war er fähig, sein Handy zu zücken. Seine Finger zitterten, als er die Nummer seines Onkels wählte. Hoffentlich war der überhaupt schon wach!
„Retten?", wiederholte Thomas. Er war kreidebleich. „Der Typ ist tot! Sieh ihn dir doch mal an!"
Er ging ein paar Schritte an der Absperrung entlang und versuchte so, einen genaueren Blick auf den reglosen Körper zu werfen.
Und auch Josh konnte seinen Blick nicht von dem grausigen Bild abwenden. In der Tat schien kein Leben mehr in dem Mann zu herrschen. Die Kleidung hing zerfetzt an ihm herunter, um ihn herum war der Felsen blutverschmiert, einige Körperstellen lagen blank.
„Bernd?" Joshs Stimme war ganz dünn, als er ins Handy sprach. „Komm schnell zur Eisbärenanlage, da ist was Schlimmes passiert."
Geistesabwesend beendete er das Gespräch. Er konnte nichts weiter dazu sagen. Er wusste, dass sich sein Onkel sofort auf den Weg machen würde.
„Mensch, wie kommt der Typ da hin?", fragte er fassungslos. „Und wieso sind die Bären frei? Hast du sie gestern etwa nicht reingelassen?"
Bestürzt sah er Thomas an.
„Klar hab ich das gemacht!", entgegnete Thomas. Er brüllte fast, so aufgewühlt war er. „Ich bin mir sicher, doch! Ich habe sie reingelassen, ganz sicher."
Die folgende Zeit lief wie ein schlechter Film an ihnen vorbei. Nachdem Bernd an der Anlage angekommen war, wurde sofort die Polizei informiert. Josh lockte die Eisbären in die Käfige zurück. Dabei tat er alles jedoch wie in Zeitlupe, wie in Trance. Er konnte kaum glauben, was geschehen war.
Wie ein Lauffeuer breitete sich die Nachricht unter den Mitarbeitern aus. Immer mehr Pfleger und Zooangestellte versammelten sich, um selbst zu sehen, was passiert war.
Bernd versuchte, alle zu beruhigen, sie wieder an die Arbeit zu schicken, was beim besten Willen nicht einfach war. Das Gebiet um die Bärenanlage wurde weitläufig abgezäunt, der Zoo für diesen Tag geschlossen.
Als die Bären sicher in ihren Unterkünften waren, wurde die Eisbärenanlage betreten, um den Toten zu begutachten und zu bergen.
Inzwischen war auch Klara angetroffen. Fast hysterisch lief sie umher und befragte die Polizei nach den Umständen.
Doch man ließ nur die wichtigsten Leute direkt an den Unfallort heran. Unfall? War es ein Unfall? Man sprach davon, eine andere Erklärung gab es zu diesem Zeitpunkt nicht.
Doch wie war es passiert, wie konnte das geschehen? Je mehr Josh darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass es sich unmöglich um einen Unfall handeln konnte.
Denn abends wurde der Zoo stets kontrolliert. Keine Besucher blieben abends „aus Versehen" im Zoo. Und die Bären waren nachts niemals draußen. In all den Jahren, in denen Thomas - und es waren weitaus mehr Jahre, als Josh sie erlebt hatte - im Zoo gearbeitet hatte, war kein derartiger Fehler passiert. Dass gleich zwei gravierende Fehler geschahen, an ein und demselben Abend, das konnte einfach nicht möglich sein!
Und trotzdem war Thomas die begehrteste Person am Tatort. Er war der Erste, der den Toten entdeckt hatte. Und er war der Einzige, der die ganze Nacht im Bärenrevier verbracht hatte und am Abend davor für die Einsperrung der Tiere verantwortlich gewesen war.
Immer wieder beteuerte er, mit ernstem Gesicht und Schweiß auf der Stirn, dass er „ganz sicher" die Bären ins Innere der Anlage gebracht hatte.
Nachdem Männer der Rechtsmedizin den Toten untersucht und fotografiert hatten, wurde der tote Körper auf eine Bahre gelegt und aus der Anlage befördert.
Thomas und Josh standen nah am Wagen, der die Leiche in die Gerichtsmedizin zur näheren Untersuchung bringen würde. Josh war schon längst flau im Magen, doch er konnte auch nicht wegsehen. Zu sehr interessierte ihn, was die Bären mit diesem Mann angestellt hatten. Und aus nächster Nähe konnte er schließlich auch erkennen, wie stark die Tiere dem Menschenkörper zugesetzt hatten. Der Tote hatte große Fleischwunden, das Gesicht war völlig entstellt. Josh begann zu würgen.
„Geht's?", erkundigte sich Thomas sofort. Josh nickte, dabei fühlte er sich alles andere als
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