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Nachts kommen die Fuechse

Nachts kommen die Fuechse

Titel: Nachts kommen die Fuechse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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Stück. Weiter hinten wurde das Feld viel steiniger, bis es schließlich nur noch Fels war, an dem sich das Meer austobte. Als er noch gut zu Fuß war, wollte er vor dem Essen immer dorthin. Dann standen sie eine Weile da, lauschten und schauten. Ich weiß genau, was das Meer sagt, meinte er, verriet aber nie, was. Sie liebte das Geräusch. An diesem Tag paßte es zu den Wolken, großen, dicken, fetten Ungetümen. Er hatte immer ein Fernglas dabeigehabt, für den Fall, daß ein Schiff vorbeikam. Manchmal durfte auch sie hindurchschauen. Heute war das Meer zu wild, weit und breit kein Schiff. Die Fischer blieben an Land, sie hatte die kleinen Boote in der Bucht hinter dem Haus liegen sehen, doppelt vertäut wegen des angekündigten Sturms.

    Luis, der gerade noch draußen gestanden hatte, war jetzt wieder nach drinnen verschwunden. Sie wußte, daß er nur kurz nach ihr Ausschau gehalten hatte.Das gehörte zum Spiel, eine Vereinbarung, die nie ausgesprochen worden war. Wenn keine anderen Gäste da waren, blieb er in der Bar, bis sie auf ihrem Stuhl saß. Erst dann kam er heraus. Sein Chef, ein großer, dicker Mann, der mit dem jämmerlichen Schwänzchen hinten am ansonsten kahlen Kopf aussah wie ein alternder amerikanischer Drummer, war nirgends zu sehen, der stand in der Küche und bereitete die tapas zu, die sie nicht mochte. Zuviel Öl. Sie warf einen Blick in die Bar. Luis gab vor, beschäftigt zu sein, schob kleine Teller hin und her. Ihretwegen brauchte er das nicht zu tun, er wußte, daß sie nie etwas aß, höchstens ein paar Mandeln. Sie stellte ihr weißes Täschchen auf den Tisch und holte die Dunhill-Schachtel heraus. Die Tische waren unscheinbar, aber sie liebte den aluminiumartigen Glanz der Platte, das Täschchen hob sich hübsch davon ab, und das Rot und Gold der Schachtel paßte farblich zu dem Ring, den sie von Annabelle hatte. Ihren Händen schenkte sie immer viel Aufmerksamkeit. Es waren alte, weiße Hände, das wußte sie selbst, doch wenn man die Nägel sorgfältig lackierte, fielen die dünnen blauen Adern nicht so auf, und wenn man die Hand dann zwischen das Täschchen und die Schachtel legte, konnte man sie mit Freude betrachten. Früher hatte sie sich nie groß um derlei gekümmert, aber jetzt, seit sie alle Zeit der Welt hatte, waren diese Dinge wichtig geworden. Luiserschien an ihrem Tisch. Er hatte ein sauberes braunes Hemd an. Diese Hemden gehörten zu seiner Uniform, er trug nie etwas anderes. Sie wußte, daß er keine Frau hatte, aber die Hemden waren immer gut gebügelt. Schwarze Hose, ausnahmslos. Schwarze Schuhe. Er hatte kleine Füße. Ein englischer Schuh hätte ihm besser gestanden, nicht dieses spanische Gelump. Mochte der Admiral auch gewußt haben, was das Meer sagte, sie wußte dafür immer, wie es um Luis stand. Nicht gut. Eigentlich brauchte er gar nicht herauszukommen, es war klar, was sie bestellen würde. Aber auch das war Teil ihres Spiels. Wenn sonst kein Gast auftauchte, würde er ihr alles erzählen, was ihr ohnehin schon bekannt war. Ihr Spanisch war dürftig, doch sie hatte seine Geschichten so oft gehört, daß sie sie ihm erzählen könnte. Und außerdem, sein Englisch war gleich Null, sie verstand ihn kaum, also waren sie quitt. Im Grunde mußte sie gar nicht zuhören, es war wie früher in der Kirche, Worte, die man irgendwie kannte und die über einen hinwegfluteten wie eine Predigt oder eine Litanei. Hier gehörten sie zum Meer in der Ferne, zum braunen Hemd, zum glatt zurückgekämmten Haar, das hinten zu lang war. Im letzten Jahr hatte an dieser Stelle noch der Sohn des Besitzers gestanden, das waren andere Gespräche gewesen, doch der war in diesem Jahr nicht wiedergekommen. Zuwenig los. Sie zündete sich eine Zigarette an. Das rosa Tuchhätte sie mitnehmen sollen, das hatte Annabelle auch immer so gut gestanden. Lady Annabelle. Ihre Hand zitterte ein wenig, aber das lag am Wind. Luis hatte drinnen die Musik etwas leiser gestellt. Dann würde er den Gin Tonic bringen, ein Glas mit viel Eis und zwei Zitronenscheiben anstatt einer, daneben das Tonic. Diese beiden Scheiben, daran hatte er sich erst gewöhnen müssen. Sie mochte auch lieber Nordic Mist als Schweppes. Der Gin kam dann besser zur Geltung. Den Nordic Mist kauften sie nur für sie, man hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, daß das eine Gunst war. Wenn der Besitzer nicht da war, bekam sie mehr Gin, wieviel mehr, hing von Luis’ Stimmung ab. Je niedergeschlagener, desto mehr, so einfach war das.

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