Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
»Hallo, da bist du ja!«, mit dem sie ihn empfing, und ein flüchtiger Kuss, ohne aufzustehen.
Aber nichts von alledem war neu und ernsthaft beunruhigend gewesen, bis mitten in eine Sitzung hinein der unüberhörbar schrille Klingelton seines Handys die Köpfe der Anwesenden herumschnellen ließ. Markus hatte, als er den Namen seiner Frau Katharina auf dem Display sah, es kurzerhand weggedrückt und sich dann höflich bei den Umsitzenden entschuldigt. Kaum dass wieder Ruhe eingetreten war, klingelte es erneut. Mit einem verlegenen Nicken war er aus dem Zimmer gegangen und hatte den Anruf entgegengenommen. Von diesem Moment an hatte Markus die Minuten gezählt, bis er sich endlich von seinen Geschäftspartnern verabschieden und in sein Auto steigen konnte. Der Stau in der Innenstadt von Düsseldorf, die lange Autoschlange an der Tankstelle und der einsetzende Starkregen verhinderten ein schnelles Vorwärtskommen. Immer wieder holte er sich Katharinas Worte ins Gedächtnis zurück. Die Art, wie sie ihm sagte, er solle sich beeilen, es sei wichtig, und sie warte auf ihn, regte seine Phantasie in einem Maße an, die er so nicht kannte. War der Tag gekommen, den er so fürchtete? Das Ende seiner Ehe schien ihm fast unausweichlich. Markus musste sich eingestehen, dass er nichts dagegen unternommen, sondern vielmehr dabei zugesehen hatte. Noch bis vor einem Jahr glaubte er sich sicher in dem Gefühl, dass es wohl das Beste war, Katharina damals zu heiraten. Er hatte sich eingeredet, dass es Liebe war, was sie verband.
Sie hatten eine Menge versäumt in ihrer Ehe, versäumt, miteinander zu reden, versäumt, einander kennenzulernen. Viele von Katharinas Charaktereigenschaften mussten tiefere Ursachen haben, als dass sie in einem Satz gesagt waren, und sicher gab es Geheimnisse, die Katharina niemals preisgebenwürde, aber wenn Markus ehrlich war, dann hatte er jetzt Angst vor den Abgründen, die sich ihm auftun würden.
Obwohl Katharina am Telefon nicht weiter mit ihm hatte reden wollen, griff Markus doch zu seinem Handy. Er musste einfach wissen, was so wichtig sein sollte. Vielleicht war es ja doch nur wieder das leidige Geldproblem oder die zu kleine Wohnung. In letzter Zeit eskalierte das Thema Lebensverhältnisse, und die Diskussionen um ein eigenes Haus nahmen dramatische Dimensionen an.
Katharina meldete sich jedoch nicht, und bevor die viel zu lange Ansage seines Anrufbeantworters zu Ende war, ließ er das Handy fallen, ergriff mit beiden Händen das Lenkrad und machte eine Vollbremsung. Quietschend kam der Wagen quer hinter einem Lastzug zum Stehen. Sekundenlang war Markus vollkommen unfähig, sich zu rühren. Wie paralysiert verfolgten seine Augen das Wischen der Scheibenblätter, während er darauf wartete, dass das unkontrollierbare Zittern seiner Knie nachließ. Einen Meter weiter und er würde in einem Schrotthaufen unter dem blinkenden Lastzug klemmen und darauf hoffen, dass sein Atem reichte, bis Spezialisten ihn aus dem Wrack herausgesägt hatten. Langsam stieg Wut in ihm hoch. Was für ein Vollidiot parkte im Dunkeln hinter einer Kurve!
Laut fluchend legte Markus den Rückwärtsgang ein, fuhr er ein paar Meter zurück, hupte und setzte zum Überholen an. Dann bremste er erneut. Erst jetzt sah er die Autoschlange, das Blaulicht und den Rest eines Feuers, das soeben in weißem Schaum erlosch.
Als sich sein Wagen wenig später im Schritttempo an der Unfallstelle vorbeibewegte, bot sich ihm ein grauenhaftes Bild. Zwei Fahrzeuge waren ineinander verkeilt, wobei das hintere, ein Kleintransporter, völlig ausgebrannt war. Am Feldrand lagen drei mit Tüchern abgedeckte Körper.
2.
Die Wohnung lag im Dunkeln, als Markus die Tür aufschloss und leise in den Flur trat. Vorsichtig öffnete er die Schlafzimmertür, tastete sich bis zum Bett vor und schaltete die Nachttischlampe an. Das Bett war unberührt. Verdutzt drehte er sich um und lief zum Wohnzimmer.
Wahrscheinlich ist Katharina nur zum Zigarettenautomaten um die Ecke gegangen, dachte er. Seit sie vor einem Jahr arbeitslos geworden war, rauchte sie wieder.
Sein Blick blieb an zwei Gläsern auf dem Couchtisch hängen, als das Licht das Wohnzimmer erleuchtete. Der Aschenbecher war voller ausgedrückter Zigaretten, und die offene Schachtel daneben war noch halb voll. Die verdammten Glimmstängel waren ihr also nicht ausgegangen!
Markus ließ sich auf den Sessel fallen und starrte nachdenklich auf die beiden Weingläser. An einem der Gläser waren
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