Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
Beschuss, begann er hastig und vor Nervosität stotternd den vermeintlichen Gegner zu beschwichtigen. Nicht selten zog er damit den Spott der Freunde auf sich.
»Ich hab keine Ahnung, ob dass für meinen Chef als Alibi gilt, aber …«
»Ich hab ihn schnarchen hören, das m-m-muss doch reichen. W-wenn nicht, dann sag ich, ich h-h-hab in sein Zimmer gesehen, w-weil die Tür offen stand. Das kann doch k-k-keiner beweisen!«
»Das ist nicht das Problem.«
»Und w-w-was ist das Problem?«
»Dass Robert dich nicht gesehen hat.«
Es brauchte eine Weile, bis bei Dirk der Groschen fiel. Er atmete tief und bemühte sich, leise zu sprechen. »Das ist jetzt nicht dein Ernst!«, sagte er, ohne zu stottern.
»Doch.«
Dirks Hände verkrampften sich an der Stuhlkante, während er mit aller Macht dagegen ankämpfte aufzuspringen. Er hielt sich förmlich selbst fest. »Bist du jetzt v-vollkommen durchgeknallt?«, keuchte er.
»Ich nicht, aber mein Chef.«
»Wir sind Freunde, Harris! D-d-du wirst ihm doch klarmachen k-k-können, dass ich kein Mörder bin!«
»Und wie soll ich das anstellen? Soll ich ihm sagen, dass du ’n netter Kerl bist, weil du alte Omas über die Straße führst oder mit ’ner Katze rumschmust? … Soll ich dir vielleicht ein falsches Alibi geben?«
»Z-z-zum Beispiel! An dem Abend sind wir z-z-zusammenaus der Kneipe … und du hast m-m-mich zu Robert gefahren!«
»Und dann hab ich die ganze Nacht deine Hand gehalten! Du spinnst doch!« Harris beobachtete, wie Dirk der Schweiß auf die Stirn trat. Er nestelte an seinem Shirt herum, zog plötzlich seine Jacke aus, warf sie über die Stuhllehne, um sie gleich darauf wieder an sich zu nehmen und überzuziehen. Harris hatte die blutigen Spuren an seinem Hals dennoch bemerkt. Blitzschnell griff er nach Dirks Kragen und zog ihn ein Stück hinunter. »Was ist das?«
»W-w-was ist w-was?«
»Die Kratzspuren an deinem Hals.«
Dirks anfängliche Verzweiflung legte sich wieder. Er schlug den Jackenkragen nach oben und lächelte. »Eines unserer Katzenjungen ist auf ’nen Baum gek … klettert und hat sich nicht mehr r-r-runter getraut. Also hab ich sie geholt, und dieses Mistvieh hat sich dabei in meinen Hals gekrallt, das ist alles. Und … ich hab jede Menge Zeugen dafür. Da standen nämlich sechs Nachbarskinder unterm Baum.«
»Okay, das ist gut. Man wird zwar deinen Hals untersuchen lassen, aber wenn es so ist, wie du sagst, kann ja nichts passieren. Trotzdem bleibt die Frage nach vorletzter Nacht. Also streng deinen Grips an, vielleicht fällt dir jemand ein, der dich beim Kommen oder Gehen vor Roberts Haus gesehen hat.«
Als würde er sich erst jetzt der ganzen Tragweite und des Dilemmas, in dem er sich befand, bewusst, wurde Dirk mit einem Mal kreidebleich.
»Davon hängt es jetzt ab, ob man mich für Theresias Mörder hält?«
»Nee, aber ’n Alibi würde dir ersparen, durch die Mangel gedreht zu werden.«
»Durch die Mangel? Und w-w-w-was machst du gerade?«
»’ne Unterhaltung führen. Hör zu, Dirk! Das alles hierläuft momentan nur so gesittet, weil ich mit euch befreundet bin. Mein Chef erhofft sich, dass ihr redet, weil ich euch gegenübersitze. ’n Verhör ist noch mal was ganz anderes, und das führe auch nicht ich, sondern irgend so ein Gorilla von Schneider. Also pack lieber jetzt aus, verstanden?« Harris ließ sich auf den Stuhl fallen und fuhr sich mit beiden Händen angestrengt über das Gesicht. Plötzlich hielt er inne und sah auf seine Hände. »Wonach riecht das?«
»K-k-keine Ahnung, w-w-wonach d-deine Pfoten stinken«, murmelte Dirk.
Harris stand vom Stuhl auf, riss Dirks Jackenkragen wieder nach unten und hielt die Nase daran. »Ist das Hugo Boss?«
Dirk nickte beiläufig.
»Hab ich von R-r-r-robert. War eh nur noch ’n Rest.«
Harris ignorierte das Vibrieren des Handys in seiner Hosentasche schon seit geraumer Zeit, nun aber begann die Hartnäckigkeit des Anrufers ihn zu nerven. Er deutete Dirk an, sich nicht von der Stelle zu rühren, und verließ den Raum. Vielleicht war es hilfreich, Dirk mit der Androhung eines Gorillas und der zwangsläufig härteren Gangart eines polizeilichen Vernehmers ein paar Minuten sich selbst zu überlassen. Die Phantasie in Dirks Kopf war sicher ein besseres Druckmittel, statt als Freund darauf zu hoffen, in solch einer Situation vom Gegenüber ernst genommen zu werden.
Die Entdeckung des Parfüms würde Dirk zwar schwer belasten, aber für eine Überführung reichte das ganz
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