Nachtsafari (German Edition)
durchs Wohnzimmer auf die Terrasse und deutete auf einen Grill, der mindestens fünfzehn Meter vom Haus auf einer spärlich mit Gras bewachsenen Fläche stand. »Da ist er!«
Statt einer Antwort ergriff Marcus ihre Hand und zog sie am Grill vorbei zur Abbruchkante und machte eine Handbewegung, die das Land bis zum Horizont einschloss. Unmittelbar vor ihnen fiel der Hang steil zu einem Fluss ab, der sich in engen Kurven durch die Ebene wand und noch Wasser führte. Tief unter ihnen zog eine Herde Büffel vorbei.
»Ist das nicht herrlich?«, fragte er. »So einen Blick bekommst du beim Grillen so schnell nicht wieder. Den kann man mit Geld doch nicht bezahlen.«
Silke vermied es hinunterzuschauen, machte sich von Marcus los und trat einige Schritte zurück. Steile Abhänge verursachten ihr akuten Schwindel.
»Keine zehn Pferde könnten mich dazu bringen, da draußen als Löwenköder herumzulaufen«, fauchte sie. »Wir braten unser Steak in der Pfanne.«
»Ach, das siehst du alles zu eng.«
»Das ist mir so was von egal, das kannst du dir gar nicht vorstellen«, gab sie patzig zurück. »Vorhin hast du mir noch erzählt, dass Hyänen sogar die Kühlschränke in Zelten aufkriegen – da sollte doch so eine unverschlossene Haustür keine große Schwierigkeit darstellen, oder?«
Das Geräusch eines heranfahrenden Wagens unterbrach sie.
Silke spähte hinüber. »Warte mal, nebenan sind offenbar gerade Leute angekommen.«
Zwei Paare stiegen aus dem Landrover aus. Die Männer hatten kurz geschorene Haare, ansehnliche Muskelpakete und laute Stimmen, die Frauen waren blond und sonnengebräunt. Alle trugen praktische Safarikleidung, Buschhüte mit Nackenschutz und große Sonnenbrillen.
»Das sind bestimmt Südafrikaner. Ich geh mal rüber, vielleicht kennen die sich aus und können uns Tipps geben, wie man sich hier am besten verhält.«
Nachdem sie sich mit einem schnellen Blick davon überzeugt hatte, dass kein wildes Tier auf sie lauerte, sprintete sie zu den neuen Nachbarn hinüber.
Diese stellten sich als zwei Paare um die vierzig heraus. Beide Frauen hatten sorgfältiges Make-up und sehr weiße Zähne. Nach der lockeren Begrüßung boten sie Silke ein eisgekühltes Dosenbier und einen Stuhl an. Obwohl sie durstig war und es verführerisch zischte, als einer der Männer die Bierdosen öffnete, lehnte sie dankend mit der Frage ab, ob es sicher sei, draußen vor dem Bungalow zu grillen. Sie berichtete, was die Frau an der Rezeption über die Hyänen gesagt hatte.
»Ich habe mich natürlich sehr darüber erschrocken. Wir sind nämlich zum ersten Mal in einem afrikanischen Wildpark«, erklärte sie. »Also richtige Grünschnäbel.« Sie lächelte gewinnend.
»Also.« Einer der Männer lehnte sich mit einem amüsierten Blick vor. »Das ist so, man sollte natürlich bestimmte Vorsichtsmaßregeln beachten …« Und dann erzählte er ihr von dem Mann, der im letzten Jahr beim Grillen von einem Leoparden angefallen worden war.
Silke erstarrte.
»Da vorn ist es passiert, am Grill vor Ihrem Haus. War allerdings seine eigene Schuld«, fügte er schulterzuckend hinzu. »Er hätte es machen sollen wie wir. Wir Männer grillen, unsere Frauen umkreisen den Grill ständig mit großen Handscheinwerfern und leuchten das Gelände ab. Das hält die meisten Raubtiere ab.«
»Die meisten«, krächzte Silke.
»Und im Gelände immer schön darauf achten, dass die Fenster geschlossen sind«, setzte sein Freund noch eins drauf. »Sonst geht’s Ihnen so wie der Frau im Krügerpark, die eine hungrige Löwin mit einem einzigen Prankenhieb aus dem Auto gezogen hat.«
Silke, die mit zunehmendem Entsetzen gelauscht hatte, hob eine Hand. »Danke … danke«, stotterte sie. »Das reicht vollkommen. Das war sehr freundlich. Mehr will ich gar nicht wissen.«
Damit floh sie zurück zu Marcus, jeden Moment darauf gefasst, dass ein Leopard aus dem Nichts auftauchen und sie anfallen könnte.
Marcus sah ihr erwartungsvoll entgegen. »Und? Grillen die nebenan?«
Erregt baute sie sich vor ihm auf. »O ja, das tun sie allerdings. Sie haben starke Scheinwerfer dabei, und die zwei Frauen umkreisen sie ständig und leuchten die gesamte Umgebung aus. Und weißt du, warum?« Vor Aufregung blieb ihr glatt die Luft weg, und sie brauchte einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen.
»Letztes Jahr«, fuhr sie schließlich fort und betonte dabei jedes Wort einzeln, »letztes Jahr ist ein Mann beim Grillen genau vor unserem Bungalow von einem Leoparden
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