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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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ausgestiegen und hatte die Sonnenmilch aus dem Koffer geholt.
    »Na, geht’s wieder?«, rief er ihr entgegen.
    »Ja, einigermaßen, war sicher nur die ganze Aufregung.« Sie breitete die Arme aus und ließ sich von der weichen Brise umfächeln. Doch nach ein paar Schritten stach ihr scharfer Raubtiergestank in die Nase, und sie blieb vor einem Gehege stehen, das sie vorher nicht bemerkt hatte.
    Zwei Löwen strichen ruhelos am Gitter entlang. Der männliche Löwe, ein beeindruckendes Muskelpaket mit einer schwarzen Mähne, die Schultern und Brust bedeckte, und unangenehm direktem Blick, kam lautlos näher, bis er unmittelbar vor ihr stand. Sie fuhr zurück. Der Löwe war riesig. Seine Schulter war in Höhe ihrer Brust, und als er jetzt den Kopf hob, überragte er sie locker.
    Langsam richtete er seine Ohren wie Antennen auf sie und fixierte sie unverwandt. Er tat nichts weiter, als sie mit ausdruckslosen, gelben Augen anzustarren, aber ihr standen die Haare zu Berge, und ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Sie vergaß, dass ein solides Gitter sie vor einem Angriff schützte, stand wie angewurzelt da, konnte keinen Muskel bewegen. Wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.
    Wie von weit her drang plötzlich männliches Gelächter an ihre Ohren. »Gib acht, iBhubhesi will dich zum Frühstück fressen«, warnte eine raue Stimme. Wieder lachte jemand dieses anzügliche, kehlige Lachen.
    Mit großer Kraftanstrengung löste sie sich von dem verstörenden Blick der Raubkatze und drehte sich um. Drei Schwarze in petrolfarbenen militärischen Tarnanzügen, Käppis tief ins Gesicht gezogen, Augen hinter spiegelnden Sonnenbrillen versteckt, lehnten in lockerer Haltung an einem Lattenzaun. Dem anzüglichen Gelächter und den lebhaften Gesten nach zu urteilen, schienen sie sich über sie zu unterhalten.
    »IBhubhesi liebt Weiße, sie sind zarter als wir Schwarze«, rief ein anderer spöttisch, und seine Kameraden lachten.
    Silke betrachtete die Männer genauer. Alle drei waren mit Ma schinengewehren ausgerüstet, und von ihren Gürteln hingen unter anderem ein Funkgerät, ein Pistolenhalfter und ein handliches Beil. Rucksäcke standen zu ihren Füßen.
    Wozu wurden hier bis an die Zähne bewaffnete Soldaten gebraucht? Irgendwelche Stammesfehden, von denen sie meinte, in der deutschen Presse gelesen zu haben? Zulus gegen Zulus? Nun, es ging sie nichts an, und sie wollte sich schon abwenden und zum Auto gehen, da fiel ihr etwas an dem Mann in der Mitte auf, einem breitschultrigen Kerl, der die anderen um einen halben Kopf überragte. Etwas, was sie nicht sofort einordnen konnte. Sie sah genauer hin. Auch er lachte, seine Zähne schimmerten weiß in seinem mahagonibraunen Gesicht, und eine sternförmige, rosa Narbe auf sei ner Oberlippe bewegte sich wie ein winziger Oktopus.
    Beim Anblick dieser seltsamen Narbe rührte sich etwas in ihrer Erinnerung. Irgendwo hatte sie die schon mal gesehen. Aber wo? Schwer zu erwischen, wie ein Fischchen im trüben Wasser, flitzte der Erinnerungsschnipsel durch ihren überhitzten Kopf, aber schließlich bekam sie ihn zu fassen, und sie erkannte den Mann wieder. Es war derselbe, den sie gestern bei ihrer Ankunft im Hilltop Camp gesehen und der sie auf die gleiche eigenartige Weise angestarrt hatte.
    Jetzt wandte er den Kopf, seine Augen waren hinter einer sehr dunklen Sonnenbrille verborgen, die wie übergroße Insektenaugen wirkten. Trotzdem wusste sie, dass er sie fixierte. War das Zufall? Sie konnte seine exakte Blickrichtung nicht erkennen. Er wandte den Kopf um einige Zentimeter, und die Insektenaugen glitten von ihr ab hinüber zu Marcus. Abrupt hörte der Mann auf zu lachen. Sein Gesichtsausdruck wurde starr, als wäre er auf der Jagd und hätte seine Beute im Visier.
    »Marcus«, flüsterte sie angespannt.
    Aber der räumte irgendetwas im Heck um und konnte sie offenbar nicht hören.
    »Marcus«, wiederholte sie.
    Zerzaust und rotgesichtig schlug er die Klappe zu. »Was ist?«
    »Dahinten stehen drei bewaffnete Schwarze …«, raunte sie.
    Marcus sah kurz zu ihnen. »Ja, das sind die von der Anti-Wilderer-Patrouille der Ranger. Sehen brutal aus, was? Sind die auch. Von den Wilderern überlebt praktisch keiner. Die Ranger schießen sofort und fragen erst später, wer das war. Wenn überhaupt.« Er ging um ihr Auto herum und öffnete die Fahrertür. »Was ist mit denen?«
    »Der Kerl in der Mitte ist der unangenehme Typ, den ich gestern beim Hilltop Camp gesehen habe, der, der uns

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