Nachtsafari (German Edition)
freibekommen.« Und wo es mit Sicherheit keine Wilderer-Patrouillen gab, fügte sie im Stillen hinzu, keine finsteren, bis an die Zähne bewaffneten Kerle, die einen anstarrten, als wollten sie einen zum Frühstück fressen. Und niemanden, weder Tier noch Mensch, der sie verfolgen würde. »Schon vergessen? Das hast du mir versprochen.«
Desorientiert, als wäre er gerade aufgewacht, sah er sie an, und sie wiederholte ihren Vorschlag. Auf einmal begannen seine Augen zu funkeln, über seine Züge huschte der Anflug eines frechen Grinsens.
»Da kommst du aber vom Regen in die Traufe, meine Süße. Im Indischen Ozean wimmelt es nämlich von Tieren, die dir an den Kragen wollen. Haie, die über sechs Meter lang und zwei Tonnen schwer sind – für die bist du gerade mal die kleine Mahlzeit zwischendurch –, Zitterrochen, die elektrische Schläge austeilen, und Portugiesische Galeeren mit ihren meterlangen Fäden, deren Stich dich auf die Intensivstation bringen kann, und Fische, deren Rückenstacheln todbringendes Gift enthalten. Wenn du versehentlich auf sie trittst – das war’s dann. Es gibt sogar Muscheln, die bei Berührung tödlich giftige Pfeile abschießen.«
»Hast du irgendwo gelesen, nehme ich an«, sagte sie bissig und nicht wenig aufgebracht.
Wollte er sie zum Narren halten? Spielte er ihr was vor? Und wenn ja, wann? Jetzt oder vorhin mit seinem Gerede über Gefahren, die einem bewiesen, dass man lebte? Ihr Mitleid schlug abrupt in heftige Empörung um.
»Dann schwimm ich eben in einem Pool«, schrie sie ihn an. »Oder muss ich da mit Monsterkrokodilen rechnen? Wasserschlangen? Oder Hippos mit armlangen Hauern?« Ihre Stimme kletterte die Tonleiter hoch. Langsam wurde sie richtig wütend, und zu allem Überfluss dehnte sich der Schmerz in ihrem Hinterkopf aus wie eine heiße Blase, die zu platzen drohte. »Der Punkt des Ganzen ist: Ich will hier weg!«, fauchte sie. »Ganz einfach. Raus aus Mpila, raus aus Umfolozi. Ist das klar genug ausgedrückt?«
Marcus tat das Unerwartete. Er machte einen Schritt auf sie zu, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie, bis sie ihre Gegenwehr aufgab und es geschehen ließ.
»Mein Liebling, natürlich braten wir die Steaks in der Küche«, murmelte er schließlich. »Und ich werde die Türen nachts verrammeln, dass man sie nicht mal mit einer Panzerfaust aufsprengen könnte, außerdem verspreche ich dir, dass wir uns von Elefanten weit, weit entfernt halten. Wenn sie am Horizont auftauchen, drehen wir um und hauen ab.«
Völlig überrumpelt von diesem Stimmungsumschwung, ganz schwindelig von seinen Küssen, seinem vertrauten Geruch, seinen Händen, schmolz der Kern ihres Zorns unter seiner Zärtlichkeit wie Eis in der Sonne, und schon war sie mehr als bereit zu glauben, dass sie sich sein befremdliches Verhalten nur eingebildet hatte.
»Lass uns den Park jetzt gleich verlassen«, murmelte sie aus einem Mundwinkel. »Elefanten sehe ich mir in Zukunft im Zoo an.«
Ohne Vorwarnung schob er sie von sich. Mit zusammengepressten Lippen schüttelte er den Kopf. »Geht nicht.«
»Was?«, rief sie. »Sag mir nicht, dass das nicht möglich ist!« Das schwarze Hintergrundrauschen war plötzlich wieder lauter geworden.
»Mir war nicht klar, wie spät es schon ist. Selbst wenn wir auf der Stelle packen, werden wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu einem der Gates gelangen.« Mit zwei Fingern hob er ihr Kinn und küsste sie noch einmal. »Heute und morgen ist die Mine ohnehin geschlossen, und der Streik ist noch nicht beendet. Es hat also keinen Sinn …«
»Das ist mir völlig egal«, fiel sie ihm ins Wort. »Wir können uns ein Hotel dort in der Nähe suchen und den Tag gemütlich am Pool verbringen.«
»Ein Hotel?« Marcus lachte laut auf. »Die Mine liegt irgendwo im Nirgendwo. Wenn wir Glück haben, finden wir eine Frühstückspension, und die wird mit Sicherheit nicht in der Luxuskategorie liegen. Um das mal gelinde auszudrücken. Einen Pool darfst du nicht erwarten.«
»Na, dann eben keinen Pool, immer noch besser als eine blutrünstige Raubkatze im Nacken.«
Er grinste frech. »Also gut. Wenn du dich mit Kakerlaken und Bettwanzen anfreunden kannst.«
»Bettwanzen?«, jaulte sie auf.
»Und Flöhe.« Sein Grinsen wurde breiter. »Aber ich habe einen Vorschlag. Vorausgesetzt, du kannst bis übermorgen durchhalten. Die Mine liegt nordwestlich des Reservats. Ich habe mir das bereits auf der Karte angesehen – warte einen Augenblick, ich hole
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