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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Schrei aus und trat abermals zu. Es krachte und knirschte, die Windschutzscheibe ächzte, und das Motorengeräusch wurde abrupt abgeschnitten. Aber der Alte hatte noch nicht ge nug. Er rollte den Rüssel ein, nahm Anlauf, senkte seinen mäch tigen Schädel und rammte den Wagen mit der Breitseite über den Pfad ins Gebüsch, durchs dornige Unterholz, bis sich der SUV knallend mit dem Dach um einen Baumstamm wickelte. Der Dickhäuter streckte triumphierend den Rüssel hoch und trompetete seinen Sieg heraus.
    Und dann brach die Hölle los.
    Die Kühe schrien und rannten aufgeregt durcheinander, die Jungen drängten sich Schutz suchend unter die Bäuche ihrer Mütter. Die Jungbullen waren zurückgewichen, doch ein weiterer ausgewachsener Bulle mit prächtigen Stoßzähnen, der in wachsender Angriffslust mit den Ohren schlug, beteiligte sich nun an dem Spaß, und zu zweit benutzten die Dickhäuter das Fahrzeug als Punchingball. Unaufhaltsam donnerten ihre Tritte gegen das Metall, krachten die Stoßzähne ins Blech, steigerte sich ihr Schreien zum nervenzerfetzenden Kreischen von hundert Kreissägen.
    Silke wand sich wie in Höllenqualen. Ihr Körper wurde durchdrungen von diesem Kreischen, es schnitt durch jede Faser, durch ihren Kopf, wurde so unerträglich, dass es sie langsam in die Bewusstlosigkeit drängte.
    Plötzlich stoppte das Schreien, die Tritte gegen das Fahrzeug ebenfalls. Silke wurde sich dessen erst bewusst, als sie Marcus’ Hand an ihrer Schulter spürte und seine Stimme ganz entfernt durch dumpfes, vibrierendes Rumpeln, erderschütterndes Stamp fen, Krachen und Splittern brechender Äste drang. Erst im Nachhall verstand sie seine Worte.
    »Liebling, bist du okay?«
    Sie stöhnte, zwang ihre Lider mit Mühe auseinander und blinzelte durch den Spalt. Zwei Handbreit über ihrem Gesicht hing das eingebeulte Dach und vermittelte ihr den erschreckenden Eindruck, in einem Metallsarg zu liegen. Ihr rechter Arm war unter ihrem Rücken eingeklemmt, aber es gelang ihr, ihn hervorzuwinden, und mit beiden Händen presste sie gegen das Dach. Es brachte gar nichts. Sie langte hinter sich, tastete nach Marcus, fand seine Hand, die ihre sogleich fest umschloss, und schickte ein Dankgebet zum Himmel.
    Das Splittern von umgetretenen Bäumen, Brechen von Ästen und das triumphierende Trompeten der Elefanten entfernten sich allmählich, als die abziehenden Dickhäuter sich den direktesten Weg durchs Dickicht bahnten.
    »Gott sei Dank«, wisperte sie. »Sind sie weg? Ist es vorbei?«
    »Nein.« Seine Stimme war angespannt. »Sieh nach rechts.«
    Silke tat, was er sagte, und ihr stockte der Atem. Unmittelbar hinter der Frontscheibe war eine massive graue Felswand aus dem Boden gewachsen. Eine Felswand mit Augen aus Eis, lackschwarze Pupillen auf Kaffeebohnengröße zusammengezogen, bohrten sich in ihre. Sie wimmerte hilflos.
    »Die werden nicht abziehen, bevor sie uns nicht fertiggemacht haben und …«
    Marcus konnte den Satz nicht beenden, und Silke hatte keine Zeit, sich zu wundern, woher er das wusste, denn wie zur Bestätigung krachte ein gewaltiger Tritt ins Wrack. Das Metall schrie auf, Silke wurde gegen das Dach geschleudert, ihre Hand wurde aus der von Marcus gerissen, Lichtpunkte tanzten wie Glühwürmchen durch ihr Blickfeld. Der nächste Tritt, begleitet von gellenden Schreien, traf das, was vom Heck übrig war, und ihre Welt explodierte in einem roten Sternenregen. Sie stöhnte vor Schmerzen, Marcus brüllte etwas, was sie jedoch nicht verstand. Längst hatte sich ihr Gurt gelöst, sie wurde herumgeschleudert wie eine Stoffpuppe, gegen das Dach, die Seitenstreben, die Kühlbox, die mit jedem Stoß im Innenraum unkontrolliert herumflog.
    Mit unglaublicher Wucht rammte der Bulle seine Stoßzähne ins Metall und hob den Geländewagen mit einem Ruck hoch, warf ihn krachend aufs Dach, wo er, Räder in die Luft gestreckt, auf dem Rücken liegen blieb wie ein hilfloser Käfer. Der Sternenregen vor Silkes Gesichtsfeld wurde schwächer, schließlich verlosch er ganz.
    Sie trieb schwerelos in einem dunklen, warmen Meer, sah nichts, hörte nichts, wünschte sich nur, dass sie für immer so weiterdriften könnte, aber eine schwere Last drückte ihr den Brustkasten zusammen, sodass jeder Atemzug eine übermenschliche Anstrengung kostete. Außerdem kitzelte sie etwas am Kopf. Sie knurrte unwirsch, wollte nichts davon wissen, wollte sich nur schleunigst zurück in die weiche Wärme fallen lassen, als ihr Gehörsinn wieder

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