Nachtsafari (German Edition)
zerschnitt ein heller Lichtstrahl die Finsternis. »Streichhölzer haben wir auch«, sagte er und hielt die Schachtel triumphierend hoch. »Sehr praktisch nachts im Busch.«
Silke trat inzwischen mit den Füßen an die verkantete hintere Tür. Es gab einen dumpfen Laut, aber sie bewegte sich nicht einen Zentimeter.
»Die sitzt bombenfest«, stellte sie fest. Ihre Stimme schwankte. »Und was machen wir jetzt?«
»Jetzt nehmen wir alles aus dem Auto mit, was wir im Busch brauchen können, dann machen wir uns auf den Weg.«
»Witzbold. Wir können ja die Elefanten zurückpfeifen und sie bitten, eine Tür zu öffnen.« Marcus antwortete nicht. »Marcus? Alles okay?«
Im selben Augenblick umschlang sie von hinten ein Arm, und etwas Feuchtes drückte sich an ihr Gesicht. Sie schlug um sich, wollte schreien, aber eine Hand presste sich auf ihren Mund. Sie biss hart hinein.
»Aua, Liebling, ich bin’s«, sagte Marcus’ Stimme dicht an ihrem Ohr.
»Verdammt!« Sie fuhr herum. »Bist du verrückt geworden? Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. Wie bist du rausgekommen?«
»Die Frontscheibe ist rausgebrochen, ich konnte nach draußen kriechen. Und nun werde ich dich herausholen, das heißt, ich muss erst mal versuchen, ob ich die Tür aufbekomme, sonst muss ich dich irgendwie herausziehen. An den Beinen.« Er ließ den Lichtstrahl über die zersplitterten Scheiben huschen. »Aber lieber nicht durch die Seitenfenster. Hier ist zu viel Glas ste hen geblieben. Da reißt du dir die Haut in Fetzen. Du kriechst am besten durch die Heckklappe – wenn ich die überhaupt aufkriege.«
Er knipste die Lampe wieder aus, und es wurde jäh wieder pechschwarz. Sie hörte ihn an der Klappe hantieren, Metall knirschte, er fluchte. Die Lampe flammte erneut auf, und sie sah, wie er mit dem Strahl die Ränder der Tür abtastete. Er grunzte unzufrieden.
»Okay, wir versuchen es«, sagte er. »Wenn du unter der Rücken lehne durch nach hinten kletterst und von innen mit den Füßen dagegendrückst, klappt’s vielleicht.« Er nahm die Taschenlampe zwischen die Zähne. »Achtung, ich zähl bis drei, dann trittst du dagegen. So hart du kannst!«
Silke kroch in den Kofferraum, stemmte ihren Oberkörper gegen die Lehne und setzte die Füße an die Heckklappe. Marcus zählte, Silke nahm ihre ganze Kraft zusammen und trat bei drei zu. Es knirschte, aber es gelang Marcus, die Klappe so weit aufzureißen, dass sie sich, Füße zuerst, herauswinden konnte. Dornen griffen nach ihr und rissen ihr die Haut an den Beinen auf. Sie fauchte ein Schimpfwort.
»Warte, wir sind offenbar im Dornengestrüpp gelandet. Ich halte die Zweige zurück«, sagte Marcus. Er ächzte und murmelte einen Fluch. »So, jetzt … schön langsam runterrutschen.«
Silke schob sich vorsichtig über die Heckklappe, und Mar cus ließ die Zweige los, fing sie auf und hielt sie fest umschlungen.
»Herrgott, hab ich Angst um dich gehabt«, flüsterte er und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. »Bist du okay?«
»Jetzt ja«, wisperte sie. »Grün und blau, schätze ich, aber es ist alles dran, und ich kann alles bewegen … Lass mich bitte nie wieder los. Ich habe gedacht, das war’s, jetzt sterben wir. So eine Angst habe ich noch nie in meinem Leben gehabt.«
»Ich auch nicht«, gab er zu. »Eine Scheißangst. Aber nun müssen wir zusehen, dass wir zurück zum Camp kommen.« Einen Arm um ihre Taille gelegt, langte er in seine Hüfttasche, zog sein Telefon hervor und schwenkte es langsam von rechts nach links. »Kein Empfang. Nirgendwo. Wenigstens ist es noch intakt. Hast du deins dabei?« Er steckte es wieder ein.
Sie nickte, fischte es aus der Tasche ihrer Shorts und warf einen Blick darauf. »Auch in Ordnung, aber ich habe ebenfalls keinen Empfang.«
»Hast du deine Buschstiefel dabei?« Er leuchtete auf ihre Füße.
Sie trug nur leichte Ballerinas. »Nein, die sind im Bungalow. Ich habe ja nicht erwartet, dass ich quer durch den Busch zu Fuß zurück ins Camp laufen muss«, versuchte sie sich in Galgenhumor, was ihr nicht gut gelang.
»Mist«, war sein Kommentar. »Die Buschstiefel solltest du immer mitnehmen, wenn du in der Wildnis bist – wie du siehst, kann man nie vorher wissen …«
»Das war genau das letzte Mal, dass du mich im Dschungel antriffst«, unterbrach sie ihn. »Ab sofort werde ich mich nur noch in den Großstadtdschungel stürzen. Himmel, ist das heiß.« Mit bei den Händen hob sie ihr Haar vom Nacken. Es war nass geschwitzt. Die Luft war so
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