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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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aufgewühlten Matsch die Kampfspuren.
    »O Gott«, wisperte sie. »O Gott.« Sie kämpfte sich durch den knöcheltiefen Schlamm dorthin, wo die Männer aufeinander losgegangen waren.
    »Marcus!«, rief sie in das Tosen der Elemente. »Marcus!«
    Aber sie bekam keine Antwort. Sie schrie weiter seinen Namen, bis ihr die Kehle wehtat und ihr das Herz aus der Brust zu springen drohte. Doch außer dem Rauschen des Wolkenbruchs, dem Krachen von Donner und Blitz hörte sie nichts, und allmählich sickerte die Erkenntnis in ihr Bewusstsein, dass sie in diesem Inferno allein war.
    Langsam sank sie auf die Knie.

17
    S o schnell wie das Gewitter aufgezogen war, fiel es in sich zu sammen, und der Regen hörte auf, als hätte jemand den Hahn abgedreht. Der Donner grollte noch ein paarmal wie ein gesättigter Löwe, die Wasserströme, die durch den Busch strudelten, wurden schwächer, bis nur noch ein leise gluckerndes Rinnsal übrig blieb.
    Silke kniete noch immer wie betäubt am Boden, mitten im Schlamm, und versuchte zu begreifen, dass Marcus von einem riesigen Afrikaner entführt worden und sie nachts ohne Schutz in dieser Wildnis zurückgeblieben war. Allein. Wenn man von hun grigen Löwen und randalierenden Elefanten absah.
    Sie schüttelte sich, bemüht, die Wand beiseitezuschieben, die sich zwischen ihr und der Wirklichkeit aufgebaut hatte. Eine ähnlich eigenartige Reaktion auf einen seelischen Schock hatte sie schon einmal erlebt. Beim Tod ihres Vaters. Offenbar schützte sich ihr Organismus mit einer Art Betäubung davor, dass ihr das volle Ausmaß ihrer Lage klar wurde und sie daraufhin in kopflose Panik ausbrach. Dieser Mechanismus hatte es ihr erlaubt, sich, ohne zusammenzubrechen, durch die Hinterlassenschaft ihres Vaters zu wühlen, sich mit Gläubigern und Banken auseinander zusetzen, die notwendigen Behördengänge zu erledigen, ihre Mut ter zu trösten, die Beerdigung zu organisieren.
    Hier und jetzt waren die Konsequenzen allerdings gravierender. Eine unkontrollierte Handlung, eine falsche Entscheidung, und es könnte sie das Leben kosten.
    Aus Erfahrung wusste sie, dass die Auswirkungen sie irgendwann einholen würden, aber bis dahin war sie dankbar, dass ihr Kopf klar war. Im Augenblick hatte sie einfach Mühe zu verarbeiten, was sich eben vor ihren Augen abgespielt hatte. Marcus und dieser Ranger waren in der Zeitspanne zwischen zwei Lidschlägen verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Sie musste die Augen schließen, um die Kaskade von Fragen, die auf sie ein stürzte, auszuhalten. Wer, was, warum. Sie hatte auf keine eine Antwort, hatte keine Vorstellung, wer dieser Mann war, nicht einmal, ob er Marcus tatsächlich entführt hatte oder ob ihr Verlobter freiwillig mitgegangen war. Der Gedanke überfiel sie so plötzlich, dass sie keine Gelegenheit hatte, ihn rechtzeitig abzuwehren, aber ebenso schnell tat sie ihn als völlig absurd ab. Dennoch geriet sie für eine kurze Zeitspanne seelisch ins Schlingern. Sie rieb sich die Schläfen.
    Oder war der Ranger mit der Narbe ein Trugbild? War er gar nicht … wirklich? Eine Figur ihrer Einbildung? Das hier war Südafrika, das Land, in dem sogar Politiker Geisterheiler konsultierten, wie sie gelesen hatte, die mit den Ahnen redeten, Knöchelchen warfen, um in die Zukunft sehen zu können, und aus ekelerregenden Zutaten wie Schlangenblut Zaubermedizin zubereiteten.
    Sie rang nach Atem, die Dunkelheit war erstickend. Noch nie zuvor hatte sie Angst im Dunkeln gehabt, auch als Kind nicht. Es war einfach nur dunkel gewesen, und irgendwann wurde es wieder hell. Immer. Das war so. Aber hier gab es Laute, die ihr fremd und sehr unheimlich waren, Lichtpunkte tanzten im Busch, und wenn sie verloschen, war die Nacht schwärzer und dichter. Bei je dem Rascheln hielt sie die Luft an, dachte an Scotty MacLean und die Mamba. Ein neues Geräusch drang in ihr Bewusstsein. Sie hob den Kopf. Weit entfernt, unterschwellig wie ein Erdbeben, vernahm sie rhythmisches Dröhnen. Hart und bedrohlich hämmerte das Geräusch durch ihren Körper. Trommeln? Sie presste die Hände auf die Ohren, nahm sie jedoch gleich wieder weg und lauschte angespannt.
    Nichts. Kein Trommeln. Hatte sie sich das nur eingebildet?
    Energisch rief sie sich zur Ordnung. Trotz aller Emotionalität hielt sie sich für einen vergleichsweise nüchternen Menschen, fest in der Wirklichkeit verankert. An übernatürliche Ereignisse glaub te sie nicht. Andererseits war das Licht trügerisch, vielleicht hatte es ihre

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