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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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schmeckte. Mit dem Handrücken wischte sie das Blut ab. Wenn doch bloß ihr Gehirn etwas schneller reagieren würde! Sie kniff die Augen zu, drückte mit Daumen und Zeigefinger auf ihren Nasensattel. Ganz fest, so fest, dass es wehtat, und endlich fiel ihr ein, dass sie eine Nummer tatsächlich auf ihrer SIM -Karte gespeichert hatte. Die von Jill Rogge von Inqaba.
    Aufgeregt hob sie das Telefon, aber es gab nicht einmal den Hauch eines Empfangsbalkens. Blindlings drehte sie sich im Kreis. Wo verdammt war der Weg? Sie überlegte. Waren sie nach Norden gefahren? Oder nach Westen? Sie malträtierte ihren Kopf, verwünschte die Tatsache, dass sie nie bei den Pfadfindern gewesen war, wo man nützliche Dinge lernte, zum Beispiel wie man sich nachts im Wald orientieren konnte.
    Segeln konnte sie, schwimmen wie ein Fisch und Schollen mit der Hand fangen. Aber das war hier im Busch nicht wirklich hilfreich. Während sie nachgrübelte, welche Fähigkeiten sie noch aufzubieten hatte, die ihr in dieser Situation weiterhelfen konnten, berührte sie das Foto auf ihrem Arm und fühlte, ob es mittlerweile halbwegs getrocknet war. Es war, und im flimmernden Mondlicht wendete sie es hin und her im Bemühen, Einzelheiten auszumachen.
    Es schien eine Gruppe Männer darzustellen, doch mehr war nicht zu erkennen. Offenbar hatte es eine entscheidende Bedeutung für Marcus. Seine Reaktion darauf war extrem gewesen. Behutsam faltete sie das Bild und schob es in die Hosentasche. Aber was dahintersteckte, das würde sie später ergründen müssen. Den Weg zu finden und einen Fleck an diesem gottverlassenen Ort, wo ihr Handy Empfang hatte, hatte oberste Priorität.
    Wohin sie gehen sollte, wusste sie nicht, aber sie erinnerte sich daran, dass sie zuletzt durch lichte Buschsavanne gefahren waren. Eine Landschaft mit hellem Sand, niedrigen Schirmakazien und glitzernden Wasserlöchern. Entschlossen marschierte sie weiter. Das Konzert der Nachttiere hatte noch nicht eingesetzt, noch herrschte Stille nach dem Sturm, noch waren ihre Schritte das einzige Geräusch. Sie stolperte weiter.
    Das Knurren, das auf einmal aus der Tiefe des Buschs drang, war so unterschwellig, dass sie es anfänglich gar nicht bewusst hörte, weil das Pfeifen in ihren Ohren ihren Kopf ausfüllte. Sie fühlte es mehr, es war kein wirklich wahrzunehmender Ton, eigentlich nur eine Schwingung der Luft, wie der vibrierende Nachhall der riesigen Gongs der buddhistischen Mönche. Doch dann schwoll es an und erreichte ihr Bewusstsein. Ein hoher, scharf abgeschnittener Schrei folgte, Jaulen, Tumult, als würde jemand um sich schlagen.
    Sie erstarrte. Das Knurren konnte nur von einer Raubkatze stammen, und die musste ganz in ihrer Nähe sein. Ihr Herz raste, der Adrenalinpegel schnellte in die Höhe, und das riss sie aus ihrer seelischen Schockstarre. Plötzlich sah sie schärfer, registrierte trotz des Ohrpfeifens die winzigsten Geräusche, konnte wieder blitzschnell reagieren, und ihr erster Impuls war, sich platt auf den Boden zu werfen, sich unsichtbar zu machen. Doch gleichzeitig fiel ihr ein, dass der Geruchssinn der Raubkatzen legendär war. Auch auf einen Baum zu klettern war unsinnig. Zwar wusste sie nicht, wie weit hinauf ins Geäst ein Löwe es schaffen würde, aber sie hatte genügend Dokumentationen über Leoparden gese hen, die selbst hoch in der Baumspitze auf ziemlich dünnen Ästen balancierten. Und nachtaktive Katzen waren.
    Um den Geruchssinn zu täuschen, könnte sie sich im Matsch wälzen, fuhr es ihr durch den Kopf. Also ließ sie sich fallen, rollte blitzschnell im nassen Boden hin und her, schaufelte mit beiden Händen Schlamm über sich, ließ nur Augen, Nase und Mund frei. Mit jeder Pore sog sie Gerüche ein, schmeckte sie, zerlegte sie auf der Zunge, um herauszubekommen, wo sich die Raubkatze im Busch versteckte. Flüchtig verspürte sie Verwunderung, dass sie völlig angstfrei und kühl handelte. Eine pulsierende Aufregung hatte sie gepackt, eine Art Jagdfieber, was an sich ein vollkommen abwegiger Gedanke war. Wenn überhaupt, dann war sie hier die Gejagte.
    Im Unterholz raschelte es, dann hustete jemand. Hart, abgehackt und ganz in der Nähe. Sie fuhr zusammen. Angespannt bis in die Haarspitzen, lauschte sie. Aber der Laut wiederholte sich nicht. Auch das Knurren war verstummt.
    Schließlich war sie überzeugt, das Knacken eines Astes mit Husten verwechselt und den Nachhall eines Donners für das Knurren eines Löwen gehalten zu haben. Energisch verbot sie

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