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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Versprochen.«
    »Danke«, wiederholte Silke noch einmal, bemerkte dabei, dass das Batteriesymbol auf ihrem Handy nur noch einen schmalen Strich aufwies. »Mein Akku ist fast leer«, flüsterte sie erschrocken. »Ich muss auflegen. Bis gleich.«
    Hoffentlich, fügte sie schweigend hinzu und sah sich nach einem unbewohnten Erdloch um. Wenige Meter von ihr entfernt entdeckte sie tatsächlich eine tiefschwarze Grube, die relativ frisch gegraben wirkte. Ob sie bewohnt oder unbewohnt war, war nicht zu erkennen. Und waren es nur Warzenschweine, die in Erdlöchern hausten? Oder vielleicht auch Hyänen? Sehr vorsichtig machte sie einen Schritt darauf zu, hob einen Stein auf und zielte auf die Grube. Und traf. Woraufhin ein riesiger dunkelgrauer Schatten wie abgestochen kreischend aus dem Loch schoss und davonraste.
    Versteinert vor Schreck, wagte sie es nicht, sich von der Stelle zu rühren. War das ein Warzenschwein gewesen? Ihr Blick flog über ihre Umgebung, aber im trügerischen Mondlicht sah sie nur mehr tanzende Schatten. Langsam sank sie in die Knie, legte den Kopf auf die Arme und richtete sich seelisch darauf ein, hier noch lange zu warten.
    Nach fünf Minuten wünschte sie, ihr Tinnitus wäre noch durchdringender, damit sie die grässlichen Laute um sie herum nicht mitzubekommen brauchte. Schlurfende Schritte schienen sich zu nähern, ein größeres Tier durchwühlte grunzend das Unterholz, irgendwo lachten Hyänen, und sie sprang fast aus der Haut, als ihr das Röhren eines Löwen vom feuchten Nachtwind zugetragen wurde. Ihre Selbstbeherrschung begann zu bröckeln. Gespenstisches Lachen und grauenvolle Schreie, wie von verdammten Seelen in der Hölle, brachten sie an den Rand des Zusammenbruchs. Über ihr dehnte sich der nachtschwarze Welt raum, Myriaden von Sternen flimmerten, und ihr war, als taumelte sie einsam in die Unendlichkeit. Zitternd, von Angstschweiß durchtränkt, schlang sie sich die Arme um den Leib und hielt sich an sich selbst fest.
    Noch tiefer kauerte sie sich auf den schlammigen Erdboden, presste die Hände auf die Ohren, kniff die Augen zusammen, kroch ganz weit in sich hinein, wollte nichts sehen und nichts hören. Hatte sie als kleines Kind Angst gehabt, war sie unter die Bettdecke gekrochen oder in die hinterste Ecke ihres Kleiderschrankes. Dahin wünschte sie sich jetzt zurück.
    Die Zeit war nur noch ein Maß ihrer Einsamkeit.
    Marcus sah nichts und hörte praktisch nichts. Aber er konnte fühlen. Jeden Knochen in seinem Körper, jeden Muskel, und sein Kopf war mit einem pulsierenden Schmerz ausgefüllt, der jegliche Gedanken von vornherein vernichtete. Trotzdem zwang er sich, sich auf die Sinne zu konzentrieren, die noch funktionierten. Fühlen und riechen. Seine Lage war mehr als unbequem. Bäuchlings und kopfüber hängend, wurde er offenbar von einem ziemlich kräftigen Mann getragen, über die Schulter geworfen wie ein Sack. Seine Hände waren auf dem Rücken mit Plastikschnüren fixiert, die ihm tief ins Fleisch schnitten, seine Füße mit einem Band gefesselt, so eng, dass es ihm langsam das Blut abschnürte. Das tat lausig weh, aber das begrüßte er mit einer gewissen Dankbarkeit. Würde er nichts mehr spüren, wäre er ja entweder tot, oder seine Nerven wären bereits so massiv geschädigt, dass sie abgestorben waren.
    Seinen Kopf hatte man mit einer Art Pflaster umwickelt. Er konnte spüren, dass es auf seinen Wangen haftete. Mit aller Kraft bewegte er seine Kaumuskeln, um das Pflaster irgendwie zu lockern, um Mund und Ohren, die man ihm offenbar zusätzlich mit irgendetwas zugestopft hatte, wieder einigermaßen einsatzfähig zu machen. Hoffnungsvoll mühte er sich, die Nase zu rümpfen, runzelte die Stirn, erinnerte sich, dass er Kathrins Kin der damit zum Lachen bringen konnte, indem er mit seinen Ohren wackelte. Diese Fähigkeit setzte er jetzt mit Enthusias mus ein.
    Seine Nase schien zugeschwollen zu sein, und er musste alle paar Sekunden nach Luft schnappen. Mit jedem mühsamen Atemzug wurde sein Lufthunger größer, das Gefühl, ersticken zu müssen, überwältigender. Konnte er das Band nur Millimeter lockern, würde das eine immense Erleichterung bedeuten. Fehlten noch die Augen, aber das war illusorisch. Um das Heftpflaster dort zu entfernen, brauchte er seine Hände, und jegliche Hoffnung, die Handfesseln zu lockern, hatte er aufgegeben. Es waren offenbar Plastikfesseln mit Ratschenverschluss, der auf der kleinsten Stufe eingerastet war. Er konnte es sich nicht

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