Nachtsafari (German Edition)
Reflexartig rollte sie sich zusammen wie ein Igel bei Gefahr.
Sekunden später spürte sie eine Berührung an der Schulter, woraufhin sie fast Herzkammerflimmern bekam, aber sie reagierte instinktiv und blitzschnell, wie Jill ihr das geraten hatte. Sie sprang auf, ruderte mit hochgestreckten Armen und kreischte wie eine Feuersirene, bis jemand sie hart an den Armen packte und anschrie, sie solle sofort aufhören.
Es dauerte, ehe Silke registrierte, dass es eine weibliche Stimme war. Sie nahm die Arme herunter, klappte ihren Mund zu und wirbelte herum. Scheinwerferlicht sickerte durch den Busch, nahm der Landschaft ein wenig das Geisterhafte. Vor ihr stand die Frau, die sie bei Ricks Unterkunft getroffen hatte. Vor Erleichterung schossen ihr Tränen in die Augen.
» Gott sei Dank, dass Sie gekommen sind«, flüsterte sie. »Ich bin hier vor Angst fast gestorben. Lange hätte ich nicht mehr durchgehalten.«
»Hallo, ich bin Kirsty. Jill hat mich hergeschickt«, sagte die Frau. »Mein Wagen steht da drüben.« Sie deutete mit dem Daumen in den Busch.
Silke sah hin, hörte zwar einen Motor, doch erkennen konnte sie nichts. Kirsty nahm sie bei der Hand und führte sie durchs Gestrüpp, und unvermittelt traten sie auf einen Sandweg, der sich im fahlen Licht als silbernes Band durch den dunklen Busch schlängelte. Silke stellte fest, dass sie keine zwanzig Meter davon entfernt gewesen war. Der Geländewagen wartete mit laufendem Motor. Bevor sie einstieg, streifte sie ihre verdreckten, nassen Schuhe von den Füßen. Auf Kirstys besorgte Fragen versicherte sie ihr, dass sie nicht verletzt sei, nur eben einen wahnsinnigen Schrecken bekommen habe, weil sie glaubte, ein Löwe oder Elefant stünde hinter ihr, und sie auf Jills Rat hin so viel Geschrei wie möglich veranstaltet habe.
Kirsty quittierte das mit einem halben Lächeln. »Bei einem Löwen wäre das sicher einen Versuch wert gewesen, ein Elefant hätte jedoch sehr unwirsch reagiert.«
Silke blockte energisch die Bilder ab, die sich ihr aufdrängten, und schnallte sich an. »Wie geht es deinem Mann?«, fragte sie stattdessen. »Ich habe gehört, was passiert ist.«
Wäre Scott MacLean nur ein paar Sekunden früher oder später an der Mamba vorbeigegangen, dachte sie, wäre er nicht gebissen worden, Marcus und sie hätten die Buschwanderung mit ihm gemacht, sie wären nie in die Elefantenherde geraten … und wären jetzt … Mühsam stoppte sie ihre rasenden Gedanken.
»Danke, er kämpft …« Kirstys Stimme war belegt, doch sie behielt ihre Fassung. »Wir müssen abwarten. Aber er ist ein großer Kämpfer, er wird es schaffen. Er muss es schaffen. Wir wollen bald heiraten.«
Silke suchte nach Worten, um Kirsty zu trösten. »Er weiß das, und deswegen wird er es schaffen«, flüsterte sie schließlich, merkte selbst, wie lahm das klang, aber ihr fiel nichts anderes ein.
Kirsty warf ihr ein dankbares Lächeln zu und fragte ihrerseits, was genau hier im Busch passiert war. »Jill hatte keine Zeit, mir das ausführlich zu erklären. Sie sagte nur, dass dein Mann gekidnappt worden sein soll? Stimmt das?«
Silke, der das englische Wort für Verlobter gerade nicht einfiel, korrigierte sie nicht, sondern beschrieb stockend, was sie beobachtet hatte.
»Die beiden waren wie vom Erdboden verschluckt …« Sie brach ab, war zurück in der tintenschwarzen Dunkelheit. Im Busch. Al lein. »Ich habe so furchtbare Angst, ihn für immer verloren zu haben«, flüsterte sie. »Wir wollen … wir hatten an diesem Wo chenende eine sehr wichtige Party in München geplant. Aber dann hat er plötzlich verkündet, dass er nach Südafrika fliegen müsse, und zwar sofort. Und ich weiß nicht einmal genau, warum.«
»Wir werden ihn finden«, sagte Kirsty und klang zuversichtlich. »Rechtzeitig. Ganz bestimmt! Ihr seid Touristen, das bringt sogar unsere Polizei auf Trab. Seit der Fußballweltmeisterschaft sind die da einigermaßen sensibel geworden. Ihr könnt eure Party doch sicher nachholen.«
Im Zuckeltempo schaukelten sie über den holprigen Versorgungsweg. Kirsty fuhr konzentriert, und irgendwann passierten sie ein kleines Tor und gelangten auf die geteerte Landstraße.
Silke kämpfte indessen gegen die Müdigkeit, die sich wie eine bleierne Decke über sie gelegt hatte. Immer wieder verschwamm ihr Blick.
»Wie lange kennst du Scotty schon?«, fragte sie Kirsty, um wach zu bleiben.
»Schon seit Ewigkeiten. Wir haben ursprünglich an derselben Universität studiert, waren
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