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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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leisten, Zeit und Kraft auf ein aussichtsloses Unterfangen zu vergeuden, also konzentrierte er sich auf seine Kaumuskeln.
    Und tatsächlich musste sich an seinem Mund das Band ein wenig gelöst haben. Wenn er behutsam einatmete, sodass das Band nicht vom Unterdruck wieder festklebte, war es ihm möglich, lebensrettende Luft in sich hineinzutrinken. Obwohl sie wie eine Kloakenwolke schmeckte, erschien sie ihm unsagbar köstlich und frisch. Obendrein sagte es ihm etwas über die Gegend aus, durch die er getragen wurde. Es roch feucht, modrig, nach pflanzlicher und tierischer Verwesung. Ein fauliges Gewässer vielleicht oder ein Sumpfgebiet.
    Mit dieser Feststellung konnte er allerdings nichts anfangen, denn nachdem der Ranger ihn angegriffen hatte, herrschte in seiner Erinnerung ein pechschwarzes Loch. Er hatte einen totalen Filmriss und nicht einmal ansatzweise im Gefühl, wie lange er weggetreten war.
    Während er seine Kaumuskeln weiterhin strapazierte, versuchte er, die unmittelbar vorausgegangenen Ereignisse gedanklich zusammenzustückeln. Den Angriff der Elefanten sah er noch in allen erschreckenden Einzelheiten vor sich, auch dass die Dickhäuter den Geländewagen in einen Schrotthaufen verwandelt hatten, war ihm sehr präsent. Bildfetzen drehten sich vor seinen zugeklebten Augen, aber allmählich ordneten sie sich zu einem zusammenhängenden Film.
    Irgendwann hatte er es geschafft, den Wagen zu verlassen, er hatte seine Silky herausziehen können, und sie war unverletzt geblieben! Sein Herz machte einen Doppelschlag, und er brauchte einige Sekunden, um seine aufsteigenden Tränen niederzukämpfen.
    Auch an den Wolkenbruch, die Blitze, das Grollen des Donners erinnerte er sich gut – aber dann? Wie lange hatte man ihn schon durch die Gegend geschleift? Er mühte sich, seine Erinnerung wach zu rütteln. Aber das schwarze Loch blieb.
    Unvermittelt drang eine Männerstimme dumpf durch die Blockade in seinen Ohren, er roch Abgase, und bevor er sich über die Bedeutung dessen klar werden konnte, wurde er von der Schulter gezogen und auf den Boden geworfen. Er landete hart auf metallenem Untergrund, stieß mit dem Kopf gegen eine Kante und jaulte innerlich vor Schmerzen auf. Er musste in einem Fahrzeug gelandet sein, vermutlich auf der Ladefläche eines Pick-ups oder eines Geländewagens. Der Wagen schwankte kurz, als jemand vorne einstieg, dann startete der Motor, und er spürte, dass sie über unebenes Gelände rollten.
    Schon immer hatte er die Gabe gehabt, die Schlagfrequenz seines Herzens innerhalb kürzester Zeit auf den Ruhepuls herunterzubringen, und der betrug zwischen achtundfünfzig und fünfundsechzig Schlägen in der Minute. Also begann er, seine Herzschläge zu zählen, um die Zeit festzustellen, die man ihn herumkutschierte, um daraus später – wenn es denn ein Später für ihn geben würde – berechnen zu können, welche Entfernung der Wagen zurückgelegt hatte. Zumindest ansatzweise sollte ihm das gelingen. Allerdings müsste er dann in etwa wissen, wie schnell sie unterwegs waren. Einen Moment wälzte er das Problem hin und her, wollte schon aufgeben, als der Wagen über Bodenwellen holperte. Also mussten sie sich noch in Umfolozi befinden, vermutlich auf einem Seitenpfad, und da waren kaum mehr als zwanzig Stundenkilometer möglich. Mit neuem Mut zählte er weiter.
    Nach etwa sechshundert Schlägen und einem kurzen Halt beschleunigte das Auto deutlich. Frustriert nahm er an, dass sie offenbar über eine Art Schnellstraße fuhren, die Geschwindigkeit war für ihn nicht mehr einzuschätzen. Es hatte keinen Sinn mehr weiterzuzählen, und so dachte er nur noch an Silky, stellte sich den Duft ihrer Haut vor, die weichen Lippen, ihre warme Stimme, und er schwor sich, dass er ihr nach diesem ganzen Schlamassel alles erzählen würde. Nichts würde er zurückhalten. Die Möglichkeit, dass er diese Gelegenheit nicht mehr haben könnte, drückte er konsequent weg. Schob einen innerlichen Riegel vor diesen destruktiven Gedanken.
    Sein schöner Traum aber wurde jäh unterbrochen. Das Fahrzeug stoppte abrupt, eine Tür wurde aufgerissen. Wieder wurde er aufs Gröbste gepackt, herausgezerrt und auf den Boden geworfen. Dieses Mal landete er vergleichsweise weich, wofür er sehr dankbar war, denn sein Körper fühlte sich an, als hätten die Elefanten ihn und nicht den Wagen zertrampelt. Er erschrak, als sich jemand an seinem Kopf zu schaffen machte, und schrie auf, als man ihm das Pflaster mit einem brutalen

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