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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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»Acus.« Er zeigte auf sich selbst. »Thoko.« Er grinste.
    Der Anblick tat Marcus weh. »Hallo, Thoko«, sagte er, war sich jedoch nicht sicher, wohin diese Unterhaltung führen würde. Er ließ es darauf ankommen und fragte einfach. »Kannst du mir helfen?« Mit einem Ruck wälzte er sich halb auf die Seite, damit der Mann sehen konnte, in welcher Weise ihn Mandla verknotet hatte.
    Thoko lachte. Ein heiseres, keuchendes Geräusch, aber er kam näher. Marcus konnte es kaum glauben. Doch als Thoko seine Hände vorstreckte, wurde ihm schwindelig vor Enttäuschung und Bestürzung. Thokos Finger waren nur noch als Knubbel unmittelbar am Handteller zu erkennen. Mit denen würde er nicht einmal einen Stock greifen können, geschweige denn komplizierte Knoten auffummeln. Ob sie verbrannt waren oder sie jemand abgehackt hatte, war nicht eindeutig auszumachen. Betroffen starrte er Thoko an. Es waren alte Narben, diese Scheußlichkeiten mussten viele Jahre zurückliegen. Die Tatsache, dass er Mandlas Kumpan war, ließ ihn vermuten, dass seine Verletzungen aus der Apartheidzeit stammten.
    Auf Anhieb fielen ihm einige Namen von Männern ein, die sich auf so etwas spezialisiert hatten. Namen, die er eigentlich längst verdrängt hatte. Die Liste wurde angeführt von Len Pienaar. Der Mann war die Verkörperung des Bösen, und noch jetzt standen ihm die Haare zu Berge bei der Erinnerung an die Dinge, die dieser Mensch getan hatte. Dinge, die auch dem härtesten Kerl den Magen umdrehen mussten.
    Ein schurrendes Geräusch stoppte seinen Absturz in die Hölle seiner Vergangenheit. Er schielte hoch. Thoko schob sich heran, halb liegend, und streckte seine Füße vor.
    »He hich au die Heite«, grunzte er und verzog seine verbrannten Lippen zu einem Grinsen.
    Dreh dich auf die Seite? Hatte der kleine Mann das gemeint? Sollte er sich auf die Seite drehen? Zögernd wälzte er sich herum, und gleich darauf spürte er eine Berührung, nahm mit steigender Aufregung wahr, dass Thoko sich mit den Zehen an dem Knoten um sein linkes Handgelenk zu schaffen machte. Ungläubig hielt er still. Noch ungläubiger reagierte er, als die Spannung ums Handgelenk nachließ und Thoko sich kurz darauf mit einem Quietschen aufsetzte.
    »Hettig, hettig, heine Hand is ei!«, johlte er.
    Marcus gelang es sofort, den Ausruf zu übersetzen. »Fertig, fertig, deine Hand ist frei.«
    Ein Adrenalinstoß trieb ihm den Puls hoch. In größter Hast arbeitete er seine Hand aus der Schlinge frei, setzte sich auf und machte sich daran, die Fesseln an seinen Füßen zu lösen, knurrte vor Frustration, weil die Knoten durch den Regen so festgezurrt waren, dass es ihm für einen Augenblick unmöglich erschien, das Seil lockern zu können.
    Durch das Rauschen des Regens aber drangen auf einmal andere Laute an sein Ohr. Menschliche Stimmen. Mindestens von zwei Leuten, so kam es ihm vor. Er blockierte seine Furcht zu versagen, arbeitete mit höchster Konzentration, während die Stimmen immer näher kamen.
    Fieberhaft dehnte er das Seil, brach jeden Fingernagel in dem Bemühen ab, die Knoten zu lösen. Als es ihm endlich gelang, die gelockerten Schlingen über die Fußknöchel zu streifen, konnte er sich gerade noch beherrschen, nicht laut vor Freude loszuschreien.
    Die Stimmen wurden lauter, schon war er imstande, einzelne Worte zu verstehen. Es mussten mindestens zwei Männer sein, und er hatte keine Waffe, mit der er sich verteidigen konnte. Ihm blieb nichts weiter übrig, als sich auf der Stelle wieder in den Matsch zu werfen, Arme und Beine in die ursprüngliche Stellung zu bringen, während er sich den Hals verrenkte, um zu sehen, wer sich da näherte. Binnen Sekunden hatte er die Antwort.
    Ein Autoreifen rollte ins Bild, ein kichernder Mann – es war der irre wirkende, spindeldürre Zulu mit Zöpfchenfrisur – hielt den Reifen am Laufen. Als er sich umdrehte und ihn mit goldblitzendem Vorderzahn angrinste, erkannte Marcus in ihm den Junkie, der über Silky geredet hatte. Plötzlich blieb der Mann stehen, der Reifen verlor an Schwung, eierte und fiel auf den Boden. Direkt vor Marcus’ Gesicht. Schlamm spritzte ihm erneut in die Augen. Er blinzelte.
    Dann roch er Benzin. Und da wusste er, wofür dieser Reifen gebraucht wurde.
    Und für wen.
    Über ihm krachte der Donner, gleichzeitig fuhr ein Blitz herunter.
    Es roch nach Schwefel.
    Thoko wimmerte.

24
    S ilke wurde von Krachen und dem blendenden Blitz ge weckt. Sie schoss senkrecht hoch und starrte einen Augenblick

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