Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
nach wenigen Metern links heranfuhr. Sie schaltete den Motor aus und starrte mit leerem Blick in die silbergraue Wasserlandschaft. Der innere Druck, der sich nach dem, was sie soeben erfahren hatte, immer mehr aufbaute, schien sich als faustgroßer Kloß in ihrem Hals zu manifestieren. Sie schluckte und riss den Brief, den ihr Jonas gegeben hatte, auf. Die Nachricht war kurz, trotzdem musste sie sie mehrmals lesen, um ganz sicher zu sein, dass sie sich nicht irrte.
    Napoleon de Villiers ließ ihr mitteilen, dass Marcus und Twani identisch seien und dass er sich hiermit entschuldige und alles tun würde, um ihn zu finden. Darunter standen seine Telefonnummer und die Bitte, ihn sofort anzurufen.
    Silke kreuzte die Arme auf dem Lenkrad, legte ihren Kopf dar auf und ließ ihren Tränen freien Lauf. Der innere Damm brach und schwemmte den schwarzen Morast von Zweifel, Angst und Unsicherheit weg, in dem sie in den letzten Tagen immer tiefer versunken war. Zurück blieben die Scham, dass sie an Marcus gezweifelt hatte, und die Angst, dass sie ihn nicht rechtzeitig finden würde. Sie zog ihr Handy hervor, prüfte den Empfang und wählte die Nummer von de Villiers.
    »Hier ist Silke«, sagte sie auf Englisch, als er sich meldete. »Ich habe Ihre Nachricht bekommen und wollte mich bedanken.«
    »Silke«, dröhnte er. »Es tut mir leid.«
    »Ist schon okay«, flüsterte sie. »Ich bin nur so froh …« Ein Schluchzen saß ihr in der Kehle.
    »Das kann ich verstehen, aber nun können Sie sicher sein, dass Ihr Marcus ein guter Junge ist. Ein sehr guter. Aber leider ist da noch etwas.«
    Silkes Herz machte einen erschrockenen Satz.
    »Mandla wird das nicht wissen. Erstens war er so schwer verletzt, dass er nicht viel mitbekommen haben dürfte, und zweitens ist Twani erst dazugekommen, kurz bevor Pienaar …« Er stockte, räusperte sich anschließend ausgiebig. »Gerade als Pienaar das Feuer anzündete«, vollendete er seinen Satz schnell. »Mandla muss glauben, dass Twani einer von denen war und mitgemacht hat.«
    Ihr brach der Schweiß aus. »Was soll ich nur tun?«, wisperte sie.
    »Ich habe alle meine Kontakte aktiviert, und ich bleibe am Telefon, bis einer von denen anruft und mir sagt, wo Mandla zu finden ist.«
    Silke hatte nicht vor, so lange zu warten, aber das teilte sie Napoleon de Villiers nicht mit, wollte sich auf keinerlei Diskussionen einlassen, wollte nicht hören, wie gefährlich ihr Unterfangen war. Sie war zu der Ansicht gelangt, dass die meisten weißen Südafrikaner einen pechschwarzen Filter vor ihren Augen trugen und ihr herrliches Land sowie ihre afrikanischen Mitbürger nur noch in düsteren Farben sahen.
    »Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas hören oder wenn Sie Hilfe brauchen. Jederzeit, hören Sie?«, sagte Napoleon de Villiers gerade. »Und ich meine das genau so, wie ich das sage. Jederzeit.«
    Sie bedankte sich ausgiebig, ließ Chrissie grüßen, schaltete dar auf das Telefon auf lautlos und startete den Wagen. Nachdem sie die Grenzen von Inqaba hinter sich gelassen hatte, fand sie nach wenigen Kilometern an der Straße, die zwischen den flachen Hügeln vor Hlabisa hinunterführte, das, wonach sie gesucht hatte. Einen kleinen Laden. Sie fuhr langsamer und sah genauer hin.
    Wellblechdach, abblätternde Farbe, ein winziges vergittertes Fenster. Auf dem steinigen Sandplatz davor Plastikfetzen, in einer Ecke Bierdosen und unter dem Dachüberhang zwei weiße Plastikstühle, die von pfeiferauchenden alten Zulus besetzt waren. Daneben hockten ein paar Männer an der Hauswand am Boden, alles Schwarze, unterhielten sich, tranken Bier und löffelten Undefinierbares aus Pappkartons. Die meisten rauchten dabei.
    Unter den herunterhängenden Zweigen eines herrlich grünen Baums, dessen dichtes Laub den strömenden Regen abhielt, stand ein halbes Dutzend Frauen mit aufgeschnittenen Plastiktüten als Schutz vor dem Regen um Kopf und Schultern drapiert. Ihre Unterhaltung wurde von viel Gelächter und sehr lebhaften Gesten begleitet.
    Silke parkte den Wagen neben der Straße, stieg aus und rannte durch den Wolkenbruch zum Laden. Jeder auf dem Vorplatz wandte sich ihr ruckartig zu.
    »Guten Morgen«, rief sie und täuschte dabei wesentlich mehr Selbstsicherheit vor, als sie tatsächlich empfand. Entschlossenen Schrittes marschierte sie in das kleine Geschäft. Stickig heiße Luft schlug ihr entgegen, es roch nach Essen und Gewürzen. Im Hintergrund ratterte ein alter Kühlschrank laut vor sich hin. Sie brauchte einige

Weitere Kostenlose Bücher