Nachtsafari (German Edition)
als winziger schwarzer Schattenriss im flimmernden Licht zu erkennen, zog ein Adler in majestätischer Ruhe seine Kreise.
»Herrgott, ist das schön«, flüsterte sie.
Marcus hatte seinen Arm um ihre Schultern gelegt. Er räusperte sich. »Traumhaft«, sagte er und klang, als hätte er eine schwere Erkältung.
»Traumhaft«, wiederholte eine tiefe Stimme hinter ihnen.
Silke fuhr herum. Ein breitschultriger Mann in khakifarbener Safariuniform, Gewehr geschultert, Buschhut in die Stirn gedrückt, s tand vor ihnen. »Das ist unser Afrika. Seit Jahrhunderten ist diese Landschaft praktisch unverändert«, sagte er mit leiser In brunst und schaute über das Land. »Shaka Zulu hat hier gejagt.«
Seine Augen hatten, wie Silke fand, das helle Blau, das sie von Nordseefischern kannte. Er war ihr auf Anhieb sympathisch.
»Hi, ich bin Scott, Ranger von Hluhluwe. Willkommen in unserem Paradies. Ich habe eben an der Rezeption gehört, dass Sie für morgen Nachmittag eine Buschwanderung gebucht haben?«
»Haben wir«, bestätigte Marcus und betrachtete den Mann mit abwartender Miene.
Scott MacLean lächelte breit. »Dann werde ich Ihr Führer sein. Ich freue mich darauf. Bis morgen Nachmittag dann. Wir treffen uns am Nyalazi Gate.« Er wandte sich schon zum Gehen, als sein Blick an den hochhackigen Sandaletten von Silke hängen blieb. »Die lassen Sie aber zu Hause, hoffe ich. Laufschuhe sind angesagt, noch besser Buschstiefel. Und ein Sonnenhut, vorzugsweise mit Nackenschutz. Tragen Sie möglichst lange Hosen. Shorts sind zwar sexy, aber das finden Mücken, Zecken und Schlangen auch.« Er winkte ihnen fröhlich zu und verschwand wieder im Inneren des riedgedeckten Gebäudes.
Silke sah ihm nach. »Der wirkt wie ein richtig netter Kerl. Das wird aufregend, und ich freu mich schon wahnsinnig.«
Vergnügt liefen sie durch die Eingangshalle hinaus zum Parkplatz, wo ihr Wagen mittlerweile in der prallen Sonne schmorte. Marcus startete den Motor, drehte die Klimaanlage auf Sturm, um die Bruthitze im Inneren zu mildern. Silke breitete ein vor sorglich eingepacktes Handtuch auf dem heißen Leder aus. Dabei fiel ihr Blick durch das Seitenfenster auf einen Mann, einen schwer bewaffneten Schwarzen, der eine Art militärischen Tarnanzug in schmutzigem Petrolgrün trug. Er lehnte im Schatten an einem Baum und kaute auf einem Grashalm, wobei sich eine sternförmige Narbe auf seiner Oberlippe bewegte, als würde dort ein kleiner, rosafarbener Oktopus kriechen. Über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg starrte er unverwandt zu ihnen herüber.
Sie lächelte ihn unsicher an, wusste eigentlich nicht, warum, denn freundlich sah der Mann wirklich nicht aus. Er erwiderte auch nicht ihr Lächeln, sondern fixierte sie weiterhin.
»Der Kerl da drüben verursacht mir eine Gänsehaut«, flüsterte sie Marcus zu. »Dem möchte ich im Dunkeln nicht begegnen.«
Marcus ließ seinen Blick schweifen. »Wen meinst du?«
»Sieh nicht sofort hin. Der Typ in Uniform mit der Sonnenbrille. Er steht da drüben unter dem Baum und sieht aus, als wollte er uns fressen.«
Marcus tat so, als wischte er einen Fleck auf der Fensterscheibe weg, und drehte sich dabei wie zufällig um. Suchend blickte er zum Baum. »Da ist niemand«
Silke sah auf, aber der Mann war wie vom Erdboden verschluckt. Irritiert schüttelte sie den Kopf. »Er trug eine Art Tarnuniform, war bis an die Zähne bewaffnet und hat uns angestarrt.«
»Na, der hat sich dann wohl in Luft aufgelöst, jedenfalls ist er weg, also können wir ihn vergessen. Oder vielleicht hast du dich ja auch geirrt und ein Gespenst gesehen.«
»Ich neige nicht dazu, Gespenster zu sehen«, fuhr sie ihn kratzbürstig an. »Dieses Gespenst trug, wie ich sagte, einen Tarnanzug und kaute auf einem Grashalm. Der Mann hat da gestanden, und wenn ich es mir recht überlege, hat er dich angestarrt, und zwar außerordentlich unfreundlich.«
Marcus zuckte nur gleichgültig mit den Schultern, was ihr das Gefühl vermittelte, dass er ihr nicht glaubte. Das wiederum ärgerte sie ziemlich. Aber sie hielt ihren Unmut im Zaum. Sie wollte sich diesen schönen Tag nicht verderben. Gleich darauf ratterten sie über die Wildbarriere, und für einen Moment meinte Silke, das Aufblitzen der Sonne auf Metall zu sehen und das Krachen brechender Zweige unter schweren Schritten zu hören. Unruhig spähte sie durch das rückwärtige Fenster. Aber da war nur der Eindruck eines Schattens. Ein kompakter Schatten allerdings, der sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher