Nachtseelen
Endlich durfte er ihre Haut fühlen. Endlich gehörte sie ganz ihm, und das war kein Traum, der ihn nachts manchmal heimsuchte.
In seiner Hose wurde es eng, er musste die Gürtelschnalle lösen und sich seiner Jeans entledigen.
»Wir müssen aufhören«, sagte sie wieder, bog sich ihm entgegen und biss ihn in die Schulter, als wolle sie ihre eigenen Worte ersticken. »Ein Mensch und ein Metamorph haben keine Zukunft.«
»Nein, das haben sie in der Tat nicht.« Er küsste sie, ihren Hals und ihre Brüste, sank in die Knie und fuhr
mit der Zunge über ihren Bauch. Er küsste sie, bis ihm der Kopf schwirrte, bis er nichts anderes wahrnahm als ihren Geschmack auf seiner Zunge.
Alba stöhnte, vergrub ihre Finger in seinem Haar und führte seinen Kopf. Ihre Atmung beschleunigte sich, als seine Fingerkuppen durch den dünnen Streifen des Kräuselhaars fuhren und seine Lippen ihre Scham erreichten.
»Finn ⦠Nein!«, japste sie und drückte sein Gesicht etwas fester in ihren SchoÃ. Doch auch sonst hätte er nicht mehr aufgehört. Wie trunken von ihr, wollte er mehr, als wäre er süchtig nach ihr.
Wie viele Frauen hatte er bereits in seinem Leben gehabt, sie verführt, ihnen Leidenschaft geschenkt und seine Lust gestillt. Aber mit keiner von ihnen hatte er einen derartigen Höhenflug erlebt, eine solche Selbstaufgabe und gleichzeitig dieses Aufbäumen der eigenen Seele und ein solches Aufleben seiner Gefühle.
»Wir dürfen das nicht tun«, raunte Alba.
»Ja«, hauchte er ihr entgegen, und in seinem Kopf hämmerte es: Sie hat Recht. Hör auf, du Narr! Hör sofort auf. Sie ist ein Mensch, sie ist frei. Du dagegen wirst für immer an sie gebunden bleiben. Und wenn sie sich von dir abwendet, wirst du zum schlimmsten Stalker aller Zeiten, zu ihrem schrecklichsten Alptraum.
»Ja«, stöhnte er noch einmal, ehe er Atem holte. »Wir dürfen das nicht tun. Jage mich fort. Jage mich fort, bevor es zu spät ist.«
Sie erzitterte. Ihre Antwort versank in ihrem Aufschrei,
als würde sie alle Lust, die sich in ihr angesammelt hatte, herauslassen.
Womöglich war es bereits zu spät.
Womöglich wäre es zu spät gewesen, wenn nicht jemand die Tür geöffnet hätte und in die Wohnung getreten wäre.
»Blimey!« Conrads Ausruf lieà sie beide auseinanderstieben wie zwei Teenager, die von einem Lehrer beim Fummeln erwischt worden waren. »Und ich dachte, wenn ich kein Bett habe, wird mir dieser Anblick erspart bleiben.« Er stand im Schatten, der seine Gesichtszüge verbarg, doch Finn spürte, wie der Blick des Toten ihn abtastete. »Ziehen Sie sich an und kommen Sie runter. Wir wollen den Angriff auf die Metamorphen-Brut besprechen.«
Finn nickte unsicher. Er dachte, der Totenküsser würde gleich wieder gehen, doch dieser blieb und beobachtete, wie Alba hastig ihre Kleidung zusammenraffte und in ihre Sachen schlüpfte.
In diesem Augenblick hasste Finn die Untoten so, wie er noch nie irgendjemanden gehasst hatte. Verzweifelt suchte er Albas Blick. Bitte. Bitte sag mir, dass wir füreinander bestimmt sind. Dass unsere Gefühle uns nicht getrogen haben. Bitte sieh mich an und sag es mir!
Doch sie schaute weder ihn noch den Totenküsser an. Finn zog die Hose an, was in eine ungeschickte und peinliche Aktion ausuferte, zumal sein ReiÃverschluss streikte.
»Kommst du mit?«, fragte er Alba, die irgendwie verloren
in dem engen Flur stand und die zerrissene Bluse über ihrer Brust zusammenhielt.
Sie schüttelte den Kopf, das Gesicht halbverdeckt von dem seidigen Schleier ihres Haars. Er wäre gern zu ihr gegangen, hätte sie umarmt und ihr zugeflüstert, sie hätten alles richtig gemacht, indem sie ihren Gefühlen gefolgt waren, doch Conrad packte ihn am Arm und zog ihn mit sich ins Treppenhaus. »Ihr Techtelmechtel können Sie später fortsetzen. Jetzt erwarte ich für meine Gastfreundschaft eine Gegenleistung von Ihnen.«
»Ich hasse dich«, zischte Finn leise in der Erwartung, der Untote würde ihn nicht hören. Doch das hatte er.
»Herzlichen Glückwunsch. Sie sind mein millionster Hasser seit meinem Tod im 19. Jahrhundert. Ein Fahrrad und ein Strauà Blumen erwarten Sie unten. Und jetzt etwas Bewegung, wenn ich bitten darf.«
Finn befürchtete, im Blumenladen Maria zu treffen. Er hatte sie noch nie zuvor zu Gesicht bekommen
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