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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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erwiderte Juliane. »Aber nicht mehr lange. Von Anfang an habe ich versucht, eigene Metamorphe zu kreieren, denn die richtigen würden mir nicht folgen. Die von mir erschaffenen hingegen schon. Mein Dämon würde sich darum kümmern, das hat Oya mir versprochen.«
    Ich werde dir garantiert nicht folgen , wollte er antworten, bremste sich aber. Denk an den Vogel! Allein das ist wichtig.
    Â»Johannes Ney war der Einzige, der mir treu ergeben blieb. Ist kein Wunder, schließlich war er mein Lebensgefährte, mein Partner. Wir liebten uns. Wir waren aneinander gebunden bis zum Tod. Seinem Tod.« Sie wandte den Kopf, als wolle sie ihre Tränen verbergen, doch weinen konnten die toten Augen nicht mehr.
    Finn sagte nichts. Er dachte an seine erste Verschmelzung, konzentrierte sich auf die Gefühle, die ihn damals ergriffen hatten. Nicht die menschlichen, sondern die
des Vogels. Verbundenheit mit der Natur. Ein Teil der Welt zu sein, ohne sich die Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen.
    Schweben, vom Wind getragen … Ausgebreitete Flügel, die jeden Luftzug auffangen und den leichten Körper weit über die Dächer der Stadt tragen … Grenzenlose Freiheit …
    Athene , schickte er seinen Ruf ins Nichts.
    Â»Doch alle unsere Versuche schlugen fehl, egal wie sehr wir uns bemühten. Die Kinder starben. Keines von ihnen konnte den Virus austragen. Keines. Außer dir. Du fragst dich bestimmt, was an dir so besonders war? Das weiß ich nicht. Vielleicht waren wirklich Anwärter unter deinen Vorfahren. Vielleicht kämpfte dein Immunsystem nicht so stark gegen den Virus, wie das bei den anderen der Fall war.«
    Die Worte rissen Finn aus der Trance. Sie war es! Sie, die ihn als Kind entführt und gequält hatte. All die Jahre hatte er diese Frau als seine Oma geliebt, die in Wirklichkeit verantwortlich für seinen Schmerz war. Er bekam kaum noch Luft.
    Egal, was sie sagt. Denk an den Vogel! Und er dachte an ihn, an die riesige schwarze Bestie, die sich auf ihn stürzte, mit dem Schnabel das Fleisch aus ihm heraushackte und mit den Krallen seine Haut zerfetzte. Er sah nichts anderes, bloß diese Bilder der Vergangenheit, seinen Alptraum, der so real wie noch nie zuvor über ihn kam.
    Finn hörte sich schreien und zerrte an den Fesseln,
wie damals, in einem lächerlichen Versuch, sich zu befreien. Ein Gedanke keimte in ihm auf: Du musst es schaffen, du musst dir etwas einfallen lassen, denn es gibt ein Mädchen, das ohne dich verloren wäre.
    Ein Mädchen?
    Sieh mich an! Erkennst du mich nicht?
    Alba …
    Oder fantasierte er bloß, bis die Erinnerungen mit der Realität verschmolzen?
    Wie aus weiter Ferne erreichten ihn Julianes Worte: »Du jedenfalls hast überlebt, und so musste ich dich für mich gewinnen. Es war erstaunlich leicht, sich als deine Oma auszugeben. Du hast nie Fragen gestellt, nie einen Verdacht geschöpft, und auch deine Mutter hat sich mit der Abfindung zufriedengegeben. Allein um deinen Vater musste ich mich kümmern, damit er nicht mehr nach Hause kam, denn er hätte das unmöglich unterstützt. Doch danach schwanden meine Hoffnungen von Jahr zu Jahr mehr. Du hattest zwar überlebt, konntest aber keine Verbindung zu einem Seelentier herstellen. Mit einundzwanzig hast du mein Haus verlassen, und ich – habe das Interesse an dir verloren. Bis du vor kurzem in meinem Garten aufgetaucht bist. In Vogelgestalt!«
    Finn hörte sie kaum noch. Er biss sich auf die Zunge, um wieder in die Realität zu finden und sich im Durcheinander seiner Gedanken auf den Rotmilan zu konzentrieren. Ja, richtig, die erste Verschmelzung. Nur sie war wichtig. Nur an ihr musste er sich festhalten: Der Wind
schmiegt die Federn an seinen Körper. Seine Augen können nicht nur die Häuser und die Menschen da unten bis ins kleinste Detail erkennen, sondern sogar eine Ratte, die gerade in die Kanalisation huscht.
    Athene!
    Nichts. Keine Antwort.
    Bloß Juliane, die weitersprach: »So hat sich für mich doch noch alles zum Guten gewendet. Zumal diese dumme Gans Herzhoffs Aufzeichnungen mitgebracht hatte. Und der wies mir unverhofft den Weg: In deinem Blut liegt der Schlüssel zum künftigen Erfolg. Der Fall des kleinen Patrick hat es mir deutlich vor Augen geführt, ich habe meine Fehler erkannt.«
    Du verfluchtes Federvieh, antworte endlich!
    Plötzlich war der Rotmilan da. Finn spürte den Vogel, der seinem Ruf

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