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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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Geheimnis her?
    Das ergab durchaus Sinn.
    Ihn wollte sie als Druckmittel benutzen, ganz klar. Wie lange würde seine Oma standhalten, während Linnea ihn folterte? Finn ballte die Fäuste. Verflucht, und er konnte nichts dagegen unternehmen.
    Vielleicht würde es ihm gelingen, an den Fenstergriff zu kommen und es zu öffnen, um nach Hilfe zu rufen oder wenigstens seine Oma zu warnen? Er stellte sich auf die Zehenspitzen, schob eine Hand zwischen die Gitterstäbe und tastete nach dem Fenstergriff. Seine Arme, schon so lange über seinem Kopf fixiert, fühlten sich taub an. In den Fingern besaß er kaum Gefühl. Jede Reibung der Handschellen an seiner wundgescheuerten Haut schmerzte, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was Linnea mit ihm anstellen würde. Also biss er die Zähne zusammen und reckte seine Hand. Das Fenster war zusätzlich noch mit einem feinen Maschendraht überzogen, eine Ecke davon saß lose, an der er sich jedes Mal verletzte, wenn er die Hand bewegte. Endlich bekam er den Verschlussmechanismus zu fassen. Anscheinend musste man den Hebel nach oben drücken, um es zu öffnen. Doch egal, wie sehr er sich anstrengte,
das Fenster wollte sich nicht bewegen. Bald ahnte Finn, warum – es gab sicherlich einen zweiten Hebel, den es zu betätigen galt. Auf der anderen Seite, an die er unmöglich gelangen konnte.
    Ein Gewehrschuss durchbrach die Stille des Hauses. Finn stockte der Atem.
    Â»Nein!«, brüllte er und zerrte erneut mit allen Kräften an den Handschellen. Der Gitterstab, an den er gekettet war, wackelte, gab aber keinen Deut nach. Wem hatte der Schuss gegolten?
    Seine Gedanken rasten, und er glaubte, den Verstand zu verlieren.
    Reiß dich zusammen! Es war Julianes Gewehr. Wer sagt denn, dass nicht sie es war, die den Schuss abgefeuert hatte?
    Er lauschte in die Dunkelheit. Hatte er Schritte gehört? Kam jemand die Treppe herunter? Finn wollte nach seiner Oma rufen, wagte es aber nicht. Noch hatte er Hoffnung, dass sie es war. Was aber, wenn statt ihrer Linnea antworten würde?
    Er versuchte, irgendetwas in dem dunklen Raum zu erspähen, aber ohne Erfolg, bis sich ihm eine Silhouette näherte. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er die Metamorph-Königin erkannte.
    Triumphierend lehnte sie das Gewehr an die Wand, nicht weit von ihm entfernt. Aber was nützte es ihm, wenn seine Hände gefesselt waren?
    Â»Es ist vorbei«, flüsterte sie ihm lispelnd zu. Wenn sie so mit ihm sprach, musste er umso mehr an eine
Schlange in menschlicher Gestalt denken. »Jetzt sind nur wir zwei übrig. Wie schade, dass es so enden muss, Finn. Du wärst ein hervorragender Jäger geworden, du hattest wirklich Potenzial. Aber du musstest dich unbedingt gegen mich stellen, jetzt kann ich nichts mehr für dich tun.«
    Finn zitterte vor Wut, vor Trauer um seine Oma und konnte nichts dagegen tun. Sollte Linnea doch wissen, was für ein Schwächling er war. Was hatte das noch für eine Bedeutung?
    Sie küsste ihn, seinen Hals und die Wangen, streichelte ihm durch das Haar. »Weinst du? Das musst du nicht. Wirklich nicht.«
    Es war ihm gar nicht bewusst, wie die Tränen über sein Gesicht liefen.
    Mit viel Mühe formte er die Worte, die nicht durch seine verengte Kehle zu passen schienen: »Warum hast du sie getötet? Sie hat dir doch nichts getan.«
    Â»Sie hatte es vor. Ich musste mich wehren.« »Du bist verrückt. Was hätte sie dir anhaben können, sie war schon lange kein Metamorph mehr! Was?«, schrie er zornig und brach im Bewusstsein seiner Machtlosigkeit frustriert zusammen.
    Â»Scht«, zischte sie ihm ins Ohr, was er kaum noch registrierte. »Nicht doch, nicht doch. Du hast keine Ahnung, wozu sie fähig war. Was sie dir einst angetan hat. Und was sie dir noch antun wollte.«
    Â»Meine Oma wollte mir helfen, ohne euch klarzukommen«, flüsterte er kraftlos. »War das der Grund?«

    War er schuld an ihrem Tod? Ging es doch bloß um ihn und seinen Verrat an der Gemeinde? Wie könnte er damit leben, es sich verzeihen, wenn er die Frau, die ihm alles gegeben hatte, durch sein Handeln praktisch zum Tode verurteilt hatte? Zum Glück würde er vermutlich nicht mehr allzu lange leben, um sich damit herumzuquälen.
    Â»Deine Oma …« Linnea streichelte ihm den Kopf, tröstete ihn wie eine Mutter ihr Kind. »Dass du dich da nicht ganz böse irrst! Wusstest

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