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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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und ein neues suchen, um in Ruhe arbeiten zu können.« Sie schlug sich mit der Faust in die Handfläche. »Verdammt, und ich hatte bereits alles vorbereitet!«
    Â»Arbeiten? Woran? Was hattest du vorbereitet?«
    Er bekam keine Antwort.
    Egal.
    Momentan wurde ihm eh alles ein wenig zu viel. Finn deutete auf seine Fesseln. »Ich schätze, Linnea hat die Schlüssel.«
    Juliane steckte ihre Hand in die Hosentasche und holte einen Schlüsselbund hervor. »Ich schätze, die habe ich. Aber dir die Handschellen abnehmen, kann ich nicht. Noch nicht.« Sie schüttelte den Kopf, überprüfte den Sitz ihrer Frisur und steckte einige Haarnadeln neu hinein. »Ach Junge, du hättest lieber deinen Tee trinken sollen, dann wäre alles viel einfacher gewesen. Für dich, weil dir dann das Ganze gleichgültig gewesen wäre. Und für mich, weil du dich nicht gegen mich wehren würdest.«
    Â»Was?«
    Â»Diese Schlange hatte Recht. Ich bin nicht deine
Oma, obwohl ich es gern war. Glaub mir Finn, ich mochte dich. Und ich mag dich immer noch, du warst und bleibst mein kleiner Junge. Nur bin ich bereits zu weit gegangen, um jetzt so kurz vor dem Ziel aufzugeben. Du wirst es nicht verstehen, wenn ich sage, das täte mir leid, oder?«
    Â»Was redest du da?«
    Sie schnaubte verächtlich und kam näher. »Du verstehst nicht einmal das, was ich dir zu erklären versuche.« Der metallische Geruch des Blutes füllte seine Nase. Aber nicht deswegen lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Sondern wegen etwas, was Juliane umgab, sich mit ihr wie ein Parasit verwoben hatte. Er konnte es nicht sehen, nicht einmal sinnvoll beschreiben, was er da fühlte. Nur, dass es da war und von seiner Angst und Verzweiflung trank.
    Â»Als Linnea mich besiegt hat, waren ohne Sunny meine Tage gezählt, irgendwann wäre ich dem Wahn verfallen. So suchte ich Hilfe bei einer Mächtigen. Oya erbarmte sich meiner und erschien mir. Oh, was für ein Augenblick! Noch nie hatte ich mich so beseelt gefühlt, so erfüllt von ihrer Herrlichkeit. Sie bot mir einen Ausweg an. Ich trage einen Dämon in mir, erlaube ihm, sich von dieser Welt zu nähren, und er lässt mich nicht verrückt werden. Der Preis dafür ist meine Seele, die nun der Mächtigen und dem Schattenreich gehört. Und, tja, eine kleine Aufgabe musste ich natürlich auch erledigen, aber was ist das im Vergleich zu dem, was ich dafür erreichen kann!«

    Finn fragte sich, ob das alles nur eine Einbildung war, ausgelöst durch die Medikamente, die ihm vermutlich verabreicht worden waren. Seine Oma … nein … diese Frau, die sich als seine Oma ausgegeben hatte, war auf einen Deal mit einer Mächtigen eingegangen und trug einen Dämon in sich? Nein. Das hörte sich in der Tat nach einem ganz miesen Alptraum an.
    Doch der Blick auf die Schusswunde machte keine andere Deutung möglich. Wie sonst hätte dieser Körper noch funktionieren können?
    Ein toter Körper.
    Julianes Augen wirkten glasig und starr wie Murmeln, der Blinzelreflex blieb aus, was den Blick bizarr machte. Die sonst sonnengebräunte Haut nahm langsam einen grauen Ton an. Das Gesicht ähnelte einer Maske, und nur die blutleeren Lippen bewegten sich, wenn sie sprach.
    Â»Was auf der Welt könnte das hier rechtfertigen?«, flüsterte Finn. Er musste diesen Wahn beenden. Er musste irgendetwas unternehmen, nur was?
    Die Antwort lag nahe.
    Der Rotmilan. Natürlich. Wieso hatte er nicht gleich daran gedacht? Kilian hatte ihm beigebracht, wie man sein Seelentier zu sich rief, vorausgesetzt, es trieb sich in der Nähe herum. Nur hatte Finn es nie ausprobiert. Ob es jetzt klappen würde?
    Â»Ich bin die Königin der Metamorphe«, redete Juliane weiter. »Die wahre Königin der Hamburger Gemeinde. Was Linnea mir genommen hat, wird sie mir hundertfach
zurückzahlen müssen, wenn ich sie mit meinen Untertanen vernichte.«
    Finn schnaubte. »Mit welchen Untertanen? Sieh dich um! Du bist allein.« Gleichzeitig versuchte er, sich auf den Rotmilan zu konzentrieren.
    Denk wie ein Vogel, bringe deinen Geist und den deines Tiers auf eine Wellenlänge. Leichter gesagt als getan, denn er verabscheute alles, was einen Vogel ausmachte. Aber in seiner Situation musste er über den eigenen Schatten springen und die Ängste, die sein Dasein vergifteten, besiegen.
    Â»Ja, noch bin ich allein«,

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