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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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aber sie packte es an den Haaren, zog es zurück und schlug es noch einmal.
    Das Gör zischte, ohne aufzuhören, sich in ihrem Griff zu winden.
    Linnea ließ es los, angewidert davon, sich die Hände schmutzig gemacht zu haben. Hatte sie nicht ihre Untertanen dafür?
    Â»Das Balg soll endlich reden!«, fauchte sie Micaela an. »Mach was!«
    Die Jägerin schnaubte. Dann schleifte sie die junge Frau zu dem Eimer und drückte das Gesicht ihres Opfers ins Wasser. Es blubberte und platschte. Die Schwachsinnige schlug um sich. Die Ratte zappelte in den Krallen der Katze, als spürte sie die Leiden, die ihr Frauchen ertragen musste.
    Als die Bewegungen des Mädchens schwächer wurden, zog Micaela seinen Kopf nach oben. Es keuchte und prustete.
    Â»Name? Wer hat dem Totenküsser geholfen?«
    Die Göre japste und spuckte ihr ins Gesicht. Micaela holte zum Schlag aus, doch Linnea fasste sie am Handgelenk und hielt sie zurück. »Es ist sinnlos. Sie wird uns nichts sagen. Vielleicht weiß sie gar nicht, was wir von ihr wollen.«
    Da bemerkte sie, wie das Balg die Hände unter die
Kleidungsfetzen schob und etwas in den Fingern hielt. Sie griff nach dem Arm des Mädchens, drehte ihn der Göre auf den Rücken und bog die unnachgiebigen Finger auseinander. Die Schwachsinnige wand sich und kreischte, aber Linnea bekam, was sie wollte. Nur was? Sehen konnte sie es nicht.
    Sie zeigte den Fund Micaela. »Was ist das?«
    Â»Hm. Ein Teil einer Gürtelschnalle, würde ich sagen. In Adlerform.«
    Â»Nun«, sprach Linnea wieder. »In Sachen Hermann Herzhoff hast du mich sehr enttäuscht, Micaela. Aber ich gebe dir noch eine Chance.« Sie bemerkte, wie die Frau sich anspannte. Die Aufregung sprang sogar auf ihre Katze über, die die Ratte losließ und hin und her tapste.
    Â»Finde heraus, wem diese Gürtelschnalle gehört«, fuhr Linnea fort, »finde den Verräter, und bringe ihn mir lebend. Die anderen sollen sehen, was passiert, wenn sich jemand gegen mich stellt. Verstanden?«
    Â»Du kannst dich auf mich verlassen, meine Königin«, flüsterte Micaela.
    Â»Das hoffe ich auch. Für dich. Und beseitige die Schwachsinnige.«
    Die Worte taten ihr weh, irgendwo ganz tief in der Seele, wo sie noch etwas zu spüren vermochte. Mit dem Tod der Schwachsinnigen würde unweigerlich auch dieses Stückchen ihrer selbst sterben. Aber wer so widerstandsfähig war gegen ihre Macht wie diese Göre, durfte nicht leben. Absoluter Gehorsam war die
Stütze der Gemeinde, der Grund, warum sie so lange überleben konnten. Nichts durfte dieses Fundament erschüttern.
    Doch von der jungen Frau und ihrem Seelentier fehlte jede Spur.
    Linnea überlegte. »Nein, um das Gör wird sich jemand anders kümmern.« Sie kannte einen, den sie enger an die Gemeinde binden musste. Blut an den Händen vermochte jeden Rebellen zu fesseln.
    Â»Ja, meine Königin.«
    Als die Jägerin ging, wandte sich Linnea dem Grab zu und ersehnte die Ruhe zurück, die sie vor Micaelas Erscheinen in sich gespürt hatte. Doch die Ruhe stellte sich nicht wieder ein.
    Linnea pflanzte weitere Blumen um den Stein. Hortensien sollten es sein, hatte die Verkäuferin gesagt. Zwar mochte ihr Geliebter Edelweiß, aber das wuchs nicht auf den Friedhöfen. Zum Glück fand er grundsätzlich an allen Pflanzen Gefallen. Das Paradies hatte er sich immer als eine Art Botanischen Garten vorgestellt. Hoffentlich war er glücklich dort, wo auch immer er jetzt weilte.
    Linnea zündete eine Grabkerze an und tastete über den Stein.
    Â»Ich liebe dich. Noch immer und über all die Jahre hinweg«, murmelte sie und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. »Du glaubst nicht, wie unerträglich weh das tut – dich lieben und hassen zu müssen.«
    Für das, was du mir angetan hast , fügte sie stumm hinzu.
Für das, was ich dir angetan habe. Für alles, wozu wir nicht stark genug waren.
    Ihre Finger fanden die Einkerbungen und zeichneten die Inschrift nach:
    CONRAD WENSLEY
    Die Wärme ihrer Berührung machte die Inschrift für sie sichtbar, dann kühlten die Buchstaben ab und verflossen mit dem Blau des Granits. Wie leuchtete Schmerz? Wie strahlte Liebe?
    Mit der Zeit hatte sich alles aufgelöst, was Linnea einst mit ihrem toten Geliebten verband. Zurück blieben nur die Sehnsucht nach dem Verlorenen und der Wunsch, ihm wieder nah

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